Im Vorfeld wurde bereits viel über den „Joker“- Film von DC gesprochen, der nun in den Kinos anläuft. Viele scharfe Kritik bekam der Film ab, die wie sich jetzt für mich herausstellt, absolut unbegründet ist. Ich bin kein großer Fan der bisherigen Werke von Todd Phillips, aber mit „Joker“ gelingt ihm etwas wahrhaft außergewöhnliches.
Die Geschichte handelt von Arthur Fleck, der sich als Straßenclown sein Geld verdient, aber eigentlich von der großen Karriere als Stand-Up-Comedian träumt. Doch trieftet Arthur immer weiter in den Wahnsinn an, nach einer Reihe von erschütternden Ereignissen.
Wenn man nicht wüsste, dass der Film auf eine Figur aus einem Comic aufbaut, könnte man diesen Film auch kaum mit einer Comicverfilmung in Verbindung bringen, denn „Joker“ fühlt sich so gar nicht wie eine solche Umsetzung an. Darin liegt gleich schon mal ein großer Pluspunkt. Der Film setzt sich sehr deutlich von den anderen Werken dieses Genre der letzten Jahre ab. Im Grunde braucht sich „Joker“ auch nicht vor der großen Vertretern dieses Genre wie „Logan“, „Watchmen“ oder auch der „The Dark Knight“ Trilogie zu verstecken, den er kann mit diesen mithalten. Das hat mehrere Gründe. Zunächst weil der Film rein optisch schon heraussticht, wie auch von seinem ganzen Handwerk. Die dreckigen, verschmutzten und abstoßenden Bilder, die Kameramann Lawrence Sher von Gotham einfängt sind atemberaubend, hinzu kommt, dass der Film ein sehr körnigen Look erzeugt, der den Film wirklich wie ein Film der 70er und 80er Jahre wirken lässt. Was vielen anderen Werken eben nicht gelingt, meistert Sher hier mit Bravur. Und auch großartig ist die mitreißend, depressive Musik der Isländerin Hildur Guðnadóttir, die mit ihrem Score zum Film eine wirklich verstörende und melancholische Abwärtsspirale geschaffen hat. So viele Bilder wirken einfach wunderschön, auf eine sehr grausame Art und Weise und alleine durch seine Handarbeit ist „Joker“ schon einzigartig in seinem Genre. Aber auch die Musik lässt, im Vergleich zu den Filmen aus dem Marvel Studios, einen bleibenden Eindruck. Aber das ist nicht das Einzige was der Film besser macht. Nein! Auch dass der Fokus einmal auf ein paar sehr wenigen Figuren liegt, ist gerade in den sich zu riesigen Ensemblefilmen entwickelten Filmen von Marvel, wieder eine glorreiche Abwechslung. Den der Fokus liegt vollkommen auf Joaquin Phoenix. Worin sich die nächsten zwei Pluspunkte finden. Zunächst ist es ohnehin spannend einen Film auch einmal über einen Antagonisten zu sehen. Davon gibt es viel zu wenige, bzw. leider bleiben die meisten Schurken in Comicverfilmung eher blass, austauschbar und vergessenswert. Glücklicherweise wird dies mit dieser Figur und dieser Interpretation nicht passieren. Allein von spannenden Gegnern möchte ich mehr sehen. Vor allem wenn sie so gezeichnet werden wie von Joaquin Phoenix. Und ich kann gleich sagen, dass sich Vergleiche mit Ledger, Nicholsen und co. Nicht lohnen, den dafür ist dieser Joker zu anders und besonders. Ich habe mich im Kino nie dabei ertappt Vergleiche aufzustellen, so war ich gefesselt von Phoenix, der etwas vollkommen eigenes daraus macht und eine neue, spannende Version des Schurken schafft. Und dabei stört mich auch der Begriff der Küchenpsychologie der in der Kritik dabei öfters viel, den ich finde, weder kommt der Film mit halber Psychologie daher, noch wird die Rolle bis in jedes noch so kleines Detail erklärt. Die Zusammenschlüsse sind logisch und machen aus dem Joker einen Menschen, der erst noch zu den wird was er ist. Dabei ist mit dieser Weg sogar sehr viel lieber, als jemand in ein Becken mit Chemikalien zu werfen und danach ist er plötzlich wahnsinnig (siehe „Batman“ von Tim Burton). Der Charakter funktioniert in sich geschlossen und bringt eine große Tragik mit sich, die mich verzaubert hat im Kino. Der Joker ist ein gebrochener Mann, dessen Motive stets logisch und nachvollziehbar sind. Nie hatte ich den Eindruck es wirkt unschlüssig. Vor allem dank Joaquin Phoenix, der wieder einmal Oscarwürdig spielt und sowohl psychisch, wie auch physisch eine Glanzleistung hinlegt. Es war wunderbar den Fokus nur auf ihn zu legen.
Und noch zum Thema Gewalt, die ja stark diskutiert wurde. Ja, die Gewalt schlägt ein, aber sie ist auch so erschütternd und grausam und so weit weg von der Romantisierung, dass ich die vielen Debatten dazu nicht nachvollziehen kann. Da gab es schon problematischere Filme. Hier passt sie aber gut in den Kontext der Geschichte. „Joker“ beschäftigt sich dabei mit einer Vielzahl von gesellschaftsrelevanten Problemen, die sich auch in der Modernen finden und macht ihn daher auch zu einem sehr modernen und zeitgenössischen Film, der Genreuntypisch ist. Da wäre zum Einen, die Auswirkung der Gesellschaft auf das Individuum. Der Joker wird zu einem Produkt seiner Mitmenschen, welches schließlich seine einzige Zuflucht in der Gewalt findet. "Das schlimmste an einer psychischen Erkrankung ist, dass die Leute erwarten, das du so tust als hättest du keine". Dieses Zitat spiegelt dieses Bild wieder. Die Konsequenz dieses Theaters, welches der Joker täglich spielt um sich der Gesellschaft anzupassen führt schließlich in seinen seelischen Ruin, da niemand im Stande war, sich den Problemen und Bedürfnissen von Arthur anzupassen. Gerade wie hier mit dem Thema psychische Erkrankungen umgegangen wird, finde ich schlicht spannend. Vielleicht ein Appell an unsere Gesellschaft mehr auf unsere Mitmenschen zu achten, bevor sie sich in eine radikalere Welt flüchten. Aber auch die Gesellschaftliche Entwicklung in dem Film ist sehr spannend, gerade bezogen auf die Moderne, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer und unausgewogener wird. Die Anarchisten, die auf die Straße gehen, die sich von der Spitze verlassen fühlt und sich schließlich gegen sie erhebt. Das ganze Mündet schließlich in einem wunderbaren Finale, dass das ganze Dilemma in wenigen Sätzen auf den Punkt bringt und bei mir gerade am Ende pure Gänsehaut erzeugt hat.
Kurz: Handwerklich perfekt! Joaquin Phoenix spielt erstklassig und schafft eine einzigartige Interpretation des Jokers, der wieder neue Facetten öffnet. In seinem Genre absolut herausragend und außergewöhnlich, ist „Joker“ ein sehr brutaler und abschreckender, wie auch sehr kritischer und zeitgenössischer Film, der das Medium Comicverfilmung wieder auf ein neues Level hebt.
„Joker“ wird nicht allen gefallen, dafür ist er zu außergewöhnlich, aber er hat etwas geschafft, was immer seltener wird. Er schafft es zu polarisieren und Leute zur Diskussion anzuregen, bzw. zur Analyse einzuladen und dass ist schon einmal ein großer Verdient des Filmes, das es schaffen könnte dem Kino wieder etwas mehr Leben einzuhauchen.
Für mich ein Film, den man gesehen haben muss!