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Cursha
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4,5
Veröffentlicht am 16. Juni 2019
Ach was ein schönes Kinoerlebnis. Der isländische Film "Gegen den Strom" macht Spaß pur, weil er das ernste Thema der Klimapolitik so humoristisch aufgreift und immer mit einem Augenzwinkern versehen erzählt. Dabei sind die Figuren so ulkig und schrullig, dass man sie nur liebgewinnen kann. Halla ist eine tolle Protagonistin, die man in ihrer ersten Szene schon ins Herz schließt. Man kann ihre Motivation verstehen, kämpft sie doch für eine wichtige Sache. Jeder wird mit diesem Film seine helle Freude haben. Dieser Film macht so viel anders und trotzdem so viel Spaß, dass er eine echte kleine Perle am Ende des letzten Jahres gewesen ist.
Benedikt Erlingsson ist mit seinem zweiten abendfüllenden Spielfilm im Kino.
Halla (Halldir Geirhardsdóttir) kämpft anonym für die Erhaltung der Natur in Island. Die scheinbar brave Chorleiterin sabotiert die Stromversorgung der Aluminiumwerke und lässt die Unternehmen ihres Heimatlandes als unsichere Vertragspartner erscheinen. Ermittler versuchen die listige Bergfrau mit Hightech dingfest zu machen. Als ihr überraschend ein ukrainisches Waisenkind zugesprochen wird, muss sie sich entscheiden. Oder hilft Zwillingsschwester Ása?
„Von Menschen und Pferden“ erzählte Erlingsson 2013 und stellte die Isländer in ein seltsam skurriles Licht. Mit „Gegen den Strom“ ist klar, der Humor und die Art Filme zu kreieren zeigen eine eigene Handschrift, die nicht jedem Zuschauer schmecken muss.
Erlingsson ergreift nicht politisch Partei, prasselt aber mit Tatsachen und Argumenten. Die Figuren haben besonders herausgestellte Marotten, die Handlungen werden oft im ungewöhnlichen Blickwinkel gezeigt, etwa wenn Halla ihr Mobiltelefon aus Sicherheitsgründen ins Gefrierfach legt. Der Plot ist mit Nüchternheit versehen und dennoch dezent urkomisch. Daraus resultiert eine feine Überzeichnung, die bis zur letzten der 104 Spielminuten auf demselben Niveau durchgehalten wird und den Kinogang sehr unterhaltsam macht.
Der Score dazu ist schräg. Filmmusik soll das emotionale Moment untermalen, unterstützen, verstärken, hervorheben. Das geschieht bei Erlingsson sehr direkt, denn die nordischen und ukrainischen Musiker erscheinen unvermittelt in der isländischen Umgebung und werfen nicht nur ausdruckslose Blicke in die Szenerie. Der isländische Regisseur ist nicht der erste, der diesen Kunstgriff versucht, aber es passt herrlich in sein Konzept.
„Gegen den Strom“ ist beste Kinounterhaltung für Liebhaber von schiefem Ernst.
Solange die Musik spielt, ist nicht alles verloren. Das hat man sich auf der Titanic auch gedacht. Also fidelten die Streicher bis zum bitteren Ende, und zwar immer noch, als alles bereits in den Fluten versank. Wer das sonst nirgendwo nachgelesen hat, weiß das seit James Camerons Filmwunder von 1997. Wenn also die Stille nach wohlkomponierten Klängen folgt, wird wohl schon alles so richtig im Argen sein. In der isländischen Tragikomödie, die ich eigentlich gar nicht in das Genre einer Tragikomödie einsortieren will, ist das Schlimmste noch nicht eingetreten. Obwohl die Lage schlimm genug ist. Denn die Combo, die spielt den ganzen Film hindurch. Was nun, das wird sich so mancher Leser denken, in den meisten Filmen sowieso der Fall ist, denn in gefühlt jeder Produktion bis auf die Filme von Michael Haneke oder dem Dogma 95 gibt es einen eigenen Score. In Gegen den Strom zwar auch, nur musizieren die Artisten live im Film, sind also Teil der Kulisse und begleiten unsere Protagonistin Halla im Grunde auf Schritt und Tritt. Auf offenem Felde, in der unwirtlichen Einöde Islands oder in ihren eigenen vier Wänden. Das ist ein interessantes Stilmittel, das habe ich ehrlich so noch nicht gesehen. Die Musik ist also ein weitaus wichtigerer Teil in Hallas Geschichte, um nur als Score eingespielt zu werden. Solange also die Musik läuft, kann Halla noch einiges riskieren. Und das tut sie.
Weiterlesen auf FILMGENUSS unter https://filmgenuss.com/2019/09/27/gegen-den-strom/
Origineller und sehr sympathischer Film, der gesellschaftliche Probleme aufzeigt, ohne mit dem Zeigerfinger daherzukommen und eine komplexere Antwort auf die Frage nach Verantwortlichkeiten gibt. Die Symbolik der Zwillinge ist dabei nicht sehr subtil, aber doch ein schönes Bild für diesen Konflikt. Sehenswert, auch und gerade in der OmU-Fassung, der Isländer ist eigentlich nur so richtig zu verstehen.