Dies ist der Film für die Jugend von heute, die Snapchat-, Instagram- und Youbube-Jugend, die kaum noch zu wissen scheint, wie es sich anfühlt, wenn man sich ins wirkliche Leben stürzt. Und so wird der Hoffentlich-bald-Studentin Marleen Ruge (Jella Haase), der Hauptfigur dieses Films, ein Globetrotter-Überbruder vorgesetzt, der ständig unterwegs ist und ein Abenteuer nach dem anderen mit nach Hause bringt. Mit anderen Worten, die Art großer Bruder, von der jede kleine Schwester träumt, die sowieso schon nachhaltig in seinem Schatten steht. Um Marleen herauszufordern, schenkt er ihr ein Einmachglas, das er allerdings zum »Vielmachglas« deklariert: Marleen soll darin viele kleine Zettelchen verwahren, die von ihren Abenteuern berichten.
Dann der Schock:
Bei einem Autounfall stirbt ihr Bruder.
Zurück bleibt die Schiffskarte für seine (geplante) nächste Reise: in die Antarktis. Um das Andenken des
Verblichenen
zu ehren, beschließt Marleen: Diese Reise mache ich jetzt und die Abenteuer, die ich dann erlebe, die kommen in das Vielmachglas!
Eine wilde Live-Bloggerin, ein netter Anhaltermitnehmer, wild gewordene Wespen und eine noch wildere Rockertante gehören anschließend zu den sonderbaren Begegnungen, die Marleen auf ihrem »Road Trip« hat. Ganz zu schweigen von einem Tiger und seinem »Tigerfutter«, einer Ziege, die Marleen natürlich retten muss. Und so stellt stellt die junge Abenteurerin wider Willen alsbald – und wenig überraschend – fest: Der Weg ist das Ziel.
In den vergangenen Monaten war Jella Haase im deutschen Fernsehen in zwei ernsten Rollen zu sehen, dem neofeministischen Propagandafilm »Looping« und dem schwermütigen Nach-der-Love-Parade-Drama »Das Leben danach« um eine junge Frau mit posttraumatischer Belastungsstörung. »Vielmachglas«, produziert von Matthias Schweighöfer (hier nur in einer Nebenrolle zu sehen), versucht nun die beiden Pole der durch die Rolle der Schülerin Chantal in den drei »Göhte«-Filmen berühmt gewordenen Mimin, die der Komödiantin und die der Darstellerin sensibler Heranwachsender, in einer klassischen Tragikomödie (wo es also tragische und komische Momente gibt) unter einen Hut zu bringen. In der Tat lebt »Vielmachglas« von der Vielseitigkeit seiner Hauptdarstellerin, die mühelos dramatisch-ernste und turbulent-heitere Momente in rascher Folge miteinander verbindet.
Der Film krankt nur leider daran, dass viele Gags buchstäblich auf der Strecke bleiben und die Handlung insgesamt nur wenig Originelles zu bieten hat. Es ist überdies schwer zu erkennen, was »Vielmachglas« von einem handelsüblichen Viertel-nach-acht-Fernsehfilm unterscheiden soll und ihn somit für die große Kinoleinwand empfiehlt. Trotzdem kann man den Film der Generation »Muss mal an die frische Luft« natürlich nur wärmstens empfehlen – und sei es nur wegen der magischen Nacht der Glühwürmchen, dem vielleicht schönsten von Marleens vielen »Vielmachglas«-Abenteuern.