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    November
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    3,5
    Veröffentlicht am 28. November 2020
    RÄTSELHAFTES BALTIKUM
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Was zur Hölle ist ein Kratt? Das wissen eigentlich nur die Esten. Denn der Kratt ist Bestandteil ihrer jahrhundertealten lokalen Mythologie. Es ist ein vom Teufel beseeltes Ding, ein Konstrukt aus Tierknochen und Teilen landwirtschaftlicher Gerätschaften. Es kann auch nur aus Kochtöpfen und sonstigen Utensilien bestehen. Wichtig ist, dass der Antichrist hierbei am Werk war. Und wir wissen: der Antichrist macht nichts umsonst – das heißt also: eine Seele für eine Seele, die in das grob zusammengezimmerte Konstrukt einfährt und dieses zu einem willigen Knecht macht, der rund um die Uhr alle möglichen Arbeiten verrichtet, die man selbst nicht machen will. So ist das mit der Bequemlichkeit. Wenn die Dinge von Natur aus nicht so wollen, wie geplant, muss eben all das, was zwischen oder jenseits der uns bekannten Welt existiert, zum Eigennutz herangezogen werden. Auch die Liebe ist so eine Sache, die manchmal nicht erwidert wird. Da antworten eher noch die Toten am Allerseelentag, die in weißer Gewandung durch den dunklen Wald staksen.

    So ein Szenario verspricht die estnische Kunstfilmfantasy mit dem schlichten Titel November von Regisseur Rainer Sarnet. Und mit November ist eigentlich schon alles gesagt, denn dieser Monat des Spätherbstes ist jene Zeit, in der die Grenzen zwischen Realem und Paranormalem in reibungsloser Adhäsion verschmelzen. Zur Vollendung gelangt dieses Vorhaben in erster Linie durch eine in strengen Kontrasten gehaltene Schwarzweiß-Optik mit ganz viel künstlichem Gegenlicht, dem Schein des Mondes und einer Tiefenschärfe, die jeden Staubpartikel, jede Kerbe im Holz und jede Falte im Gesicht zu einer eigenen, isolierten Sphäre werden lässt. Womöglich hat Kameramann Mart Taniel dafür einen weniger lichtempfindlichen Film verwendet, um so all dieses satte Schwarz und die gleißende Helligkeit in jeder Einstellung neu zu definieren. In dieser eigentümlichen Welt geistern eben nicht nur die Toten und beseelte Vehikel durch den subpolaren Forst, sondern auch Hexen, ein Werwolfmädchen und natürlich Luzifer, den man an einer Wegkreuzung lediglich mit Pfeiflauten zu rufen braucht, schon ist er da, der bärbeißige Geselle, um das Leben der mythenfürchtigen Menschen auf ihre Kosten zu erleichtern. Im Mittelpunkt steht auch das Anwesen eines Barons, dessen Tochter gerne schlafwandelt und zum letzten Teil einer Dreiecksgeschichte wird, die an Orten und in Zeiten wie diesen die ungestillte Sehnsucht nach Zweisamkeit über alles stellt.

    November fordert von seinem Zuseher die nötige Toleranz für eine Narrative, durch die er sich wie durch ein winterkaltes Dickicht aus Reisig und Astwerk hindurcharbeiten muss. Wer mit der mystischen Filmwelt eines Ingmar Bergman vertraut ist, dem wird das nicht so schwer fallen. Außerdem ebnet der hypnotische Bildersturm ohnehin den Weg. Die eigentümliche Mär verblasst am Wegesrand, es zählt das Hinsehen und vielleicht gar nicht mal groß Mitdenken, man muss gar nicht mal so viel verstehen, die knorrige Geschichte offenbart sich wie das Klopfen eines Fremden an der Hintertür, die man nicht öffnen will. Oder eben doch, weil man dahinter etwas Bereicherndes, Magisches vermutet.
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