Ungewöhnlicher aber sehenswerter Coming-of-Age-Film -
Ava ist dreizehn und verbringt mit ihrer alleinerziehenden Mutter und ihrer Schwester, die noch ein Baby ist, Sommerferien an der französischen Atlantikküste: Am Strand in der Sonne dösen oder mit dem Strandsegler fahren, Pommes Frites und Eis essen. Zwischendurch nimmt sie einen Termin bei Augenarzt wahr und erfährt, dass ihre Augenerkrankung schneller voranschreitet und sie bald erblinden wird. Zurück im Feriendomizil schwankt ihre Mutter zwischen Verzweiflung und der Aussage, dass werde der schönste Sommer ihres Lebens. Ava hingegen beginnt Tagebuch zu schreiben und macht sich auf den Weg: Sie sucht einen Roma-Jungen auf, den sie schon zuvor fasziniert beobachtet hatte und dem sie nun für einige Zeit seinen Hund stiehlt. Nachdem sich beide einander angenähert haben erschrecken sie als Strandindianer kostümiert und mit einem Gewehr bewaffnet die Urlauber und rauben deren Proviant. Schließlich begeben sie sich wie einst Bonnie und Clyde auf die Flucht, verfolgt von der Polizei ...
"Ava" ist ein Abschlussfilm einer Filmhochschule und vieles wirkt unfertig: Die Story entwickelt sich sprunghaft, gelegentlich ist die Erzählung surreal, dann wieder sehr realistisch. Ava selbst ist eine wilde Dreizehnjährige, die ausgerechnet mitten in der Pubertät, wenn die Wahrnehmung alles aufsaugen will, von ihrer Erblindung erfährt. Aber selbst die Krankheit tritt angesichts der gemeinsamen Flucht irgendwann in den Hintergrund. Zuletzt ist es gerade das eher assoziative Erzählen, das Verweilen im Augenblick und die Unwahrscheinlichkeit des Abenteuers von Ava und Juan, die für den Film einnimmt. Nach Aussage der jungen Regisseurin Léa Mysius ist es das "Wimmelbild" am Anfang des Films, als der schwarze Schäferhund von Juan durch die Badegäste streift, die Ursprungsidee des Films, aus der sich die ganze Geschichte entwickelte.
"Ava" ist ein Coming-of-Age-Drama, dass völlig unbefangen mit Körperlichkeit, Sexualität, Aufbegehren gegen die Ordnung und dem Abenteuer umgeht, jung zu sein und im Augenblick zu leben. Herausgekommen ist ein ungewöhnlicher Film, wild, eigensinnig, unheimlich, sicher aber sehenswert.
Auf den Filmfestspielen in Cannes 2017 wurde der Film als bestes Debüt ausgezeichnet.