Filmkritik „Körper und Seele“ (04.10.2017) Gesamtwertung: 8,5/10P
Im ungarischen Film „Körper und Seele“ von Regisseurin Ildiko Enyedi geht es um Endre (Morcsányi Géza), den Besitzer und Finanzchef eines Schlachthofes in Budapest und dessen Beziehung zur neuen Qualitätskontrolleurin Mária (Alexandra Borbély). Als ein libidosteigerndes Substrat für die Rinderzucht gestohlen wird, müssen alle Mitarbeiter zur psychologischen Analyse. Diese ergibt, dass Endre und Mária seit einigen Nächten dasselbe träumen. Als Mária neu zum Schlachthof kommt wird sie von den anderen Mitarbeitern aufgrund ihres Autismus und ihrer damit einhergehenden Eigenarten abgestoßen, beispielsweise sitzt sie auch beim Mittagessen meist allein an einem Tisch. Seit ihrem ersten Tag hat Besitzer Endre nur Augen für sie und ihm ist relativ egal, was sonst um ihn herum passiert. So gerät leider auch der Teil des Filmes, in dem es um die Aufklärung des Diebstahls geht sehr weit in den Hintergrund. Das ist zwar etwas schade aber auch nicht weiter schlimm, denn die beiden Hauptdarsteller leisten beide so gute Arbeit, dass der Teil auch nicht wirklich fehlt. Zum Einen spielt Morcsányi Géza seine Rolle als heruntergekommenen ungepflegten Endre, der schon einiges an Lebenserfahrung mitbringt und halbseitig gelähmt ist, ziemlich gut. Zum Anderen spielt Alexandra Borbély ihre Rolle als hübsche junge und sehr intelligente Frau, die sehr gepflegt und ordentlich ist, die allerdings an Autismus leidet und deshalb den Kontakt zu anderen Menschen scheut, sogar noch viel besser, was auch damit zusammenhängen mag, dass sie die anspruchsvollere Aufgabe hat, in der sie selbst etwas mehr Spielraum hat, um ihr Fähigkeiten zu zeigen. Ich habe zu jedem Zeitpunkt im Film beiden ihre Handlungen und Entscheidungen abgekauft und obwohl die beiden Charaktere sehr gegensätzliche Extreme darstellen, waren mir beide Figuren sympathisch. Zu Beginn hatte ich aufgrund ihres Verhaltens Schwierigkeiten Mária einzuschätzen, aber als man sie dann besser kennengelernt hat, wurde auch sie immer sympathischer. Besonders beeindruckend fand ich dann die Szenen in denen sie versucht hat 'normaler' zu werden, bzw. sich an Endre anzunähern, durch den Kontakt zu anderen Menschen oder auch durch Musik. Es hat gezeigt wie weit sie für die Liebe gehen würde, welche ihrer eigenen Grenzen sie für Endre überschreitet. Dabei entstanden auch mal lustige Momente in denen man schmunzeln konnte, was sehr angenehm war, da es ansonsten im Film hauptsächlich sehr dramatisch zuging. Mir hat auch sehr gut gefallen, wie sich die beiden einander immer mehr angenähert haben und eine Beziehung zueinander aufgebaut haben und beide das erste Mal seit langer Zeit wieder realisieren, wie es ist glücklich zu sein und es war schön die beiden fröhlich zu sehen. Wie es so ist bei Liebesgeschichten gibt es auch Rückschläge, auf die ich jetzt allerdings nicht genauer eingehen möchte, um nicht den ganzen Film zu verraten. Einzig möchte ich sagen, dass es sehr drastische Rückschläge gibt die schwer zu verdauen sind, was dazu führt, dass es kein normales Liebesdrama ist. Zum Schluss möchte ich noch auf Musik und Kamera eingehen. Der Soundtrack war meist relativ unauffällig aber hat sehr gut gepasst und besonders das letzte Lied (auch im Abspann) gefiel mir sehr gut und hat die Stimmung des gesamten Filmes gut wiedergegeben. Die Kameraführung ist ziemlich ruhig gehalten, was mir gefiel, auch wenn die Bilder die gezeigt wurden in 3-4 Szenen ziemlich verstörend waren (z.B. am Anfang auf dem Schlachthof wurde die Schlachtung eines Rindes gezeigt; und es gab noch weitaus Schlimmeres in meinen Augen), weshalb mir nicht klar geworden ist, wie man diesem Film ein FSK-12 geben konnte.
Fazit: „Körper und Seele“ ist ein sehr guter Film, der vor nichts zurückschreckt und gesellschaftliche Probleme, wie Ausgrenzung (Autismus), die Grausamkeit einer Schlachtung, Vorurteile (Endre gegenüber dem neuen Arbeiter Schandor), aber auch Korruption (Polizist, der vom Schlachthof jedes Mal ein bisschen Fleisch bekommt) darlegt. Die beiden starken Schauspieler sind besonders hervorzuheben. Außerdem sieht man in dem Film Bilder, die man sonst nicht so häufig in Filmen mit dieser Härte zu sehen bekommt (+/- ?). Die einzigen Kritikpunkte sind, dass das Diebstahlthema sehr vernachlässigt wird und die beiden Figuren in wenigen Szenen etwas zu gegensätzlich dargestellt sind, als dass sie sich ineinander verlieben könnten.