"Call Me By Your Name". Auf der einen Seite ein ziemlich klassischer Film, auf der anderen Seite auch ein sehr moderner Film. In den USA war der Film bereits ein voller Erfolg und er entwickelte sich zunächst auf dem von mir hoch geschätztem "Sundance Filmfestival" zu einem echten Hit. Nun auch vollkommen zu recht. Zunächst, worum geht es ? Mitte der 80er Jahre in Italien. Der Junge Elio genießt wie jedes Jahr den Sommer mit schwimmen im Fluss, Bücher lesen und musizieren. Dann trifft er auf Oliver der für mehrere Wochen die Arbeiten seines Vaters unterstützt. Während die beiden leichte Startschwierigkeiten haben, entwickeln die beiden schon bald eine tiefe emotionale Bindung füreinander. Der Film punktet zunächst schon einmal durch seine ruhige Inszenierung. Das Gefühl der achtziger wird sofort spürbar und im Gegenzug zu vielen anderen Filmen, die diese Epoche aufgreifen, tut es dieser nicht über die Musik. Es sind die vielen kleinen Nuancen die eine glaubhafte Grundstimmung aufkommen lassen. Getaucht wird dieses Gefühl in die verträumte und romantische Idylle Italiens. Der kleine, ländliche Ort, der im Film geografisch nicht genau genannt wird, hat ebenfalls eine ganz besondere Ausstrahlung, die ein Gefühl des Wohlseins verfasst. Auch die Kameraarbeit ist auf bezaubernde Art fesselnd, da sie leicht körnig wirkt und auch so ein stilistisches Mittel ist um für die Atmosphäre zu sorgen. Dabei ist sie aber auch sehr schlicht gehalten und drängt sich nie in den Vordergrund. Gleiches gilt für die Musik, die sehr zurückhaltend und klassisch ist, gleichzeitig aber auch verzaubert. Gerade der Oscar nominierte Filmsong "Mystery Of Love" ist eine wahre Wucht aus Wohlsein und Herzschmerz und zählt meiner Meinung nach zu den besten Filmsongs überhaupt. Die ruhige Inszenierung könnte dann aber für viele Zuschauer schwierig werden. Mit 132 Minuten hat der Film eine stolze Laufzeit. Diese Langsamkeit ist aber auch auf ihre Weise meisterlich und nachvollziehbar. Zum Einen weil so der Fokus vollkommen auf den Figuren liegt und diese genug Spielraum haben um sich zu entfalten. Es bleibt auch einfach genug Zeit um die Authentizität der Situation zu steigern. Letztlich ist es kein Gramm zu viel was an dem Film nagt. Er lehrt uns sogar eher wieder etwas zu entschleunigen und sich Zeit zu nehmen für die Dinge, die wirklich wichtig sind. Gleichzeitig beweist er aber auch, dass das heutige Kino immer noch funktioniert wenn nicht ständig etwas in die Luft fliegt. Handwerklich perfekt gemacht ist auch die Geschichte selbst etwas besonderes, den "Call Me By Your Name" zeichnet sich eben nicht dadurch aus, dass es eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern ist, die zudem noch eine große Altersspanne trennt. Der Film ist ein einfaches zwischenmenschliches Drama, das sich um das Erwachsenwerden dreht. Natürlich steht das Thema Homosexualität auch im Mittelpunkt und der Film schafft es auch dieses Thema sensibel anzupacken und es auf eine sehr ergreifende, anzügliche, stellenweise sogar erotische Art anzupacken. Aber im Grunde geht es nicht einmal direkt darum dass es eben zwei Männer sind, es geht einfach um die Liebe. Die Liebe eines Jungen, der auf der Suche nach seinem Ich ist und wissen muss, wo hingehend seine Bedürfnisse und Neigungen gehen. Der Film ist ein waschechtes Gefühlskino, dass den Traum vom Kino lebt und transportiert. Hierzu muss man auch den Drehbuchautoren danken, die einen fantastischen Job gemacht haben und eine perfekte Adaption des Romans abgeliefert haben. Sie schaffen es sogar, die meiner Meinung nach, beste Liebesgeschichte der Filmgeschichte hinzulegen. Dies hat auch eine bestimmte Ursache: Die grandiosen Darsteller. Und gerade bei denen muss man Timothée Chalamet herausheben, der den jungen Elio spielt und eine Performance abliefert, die über jedem Maße steht. Elio ist schüchtern, aber gebildet. Gleichzeitig hat er aber ein hohes Maß an Selbstbewusstsein, dem er sich selbst nicht ganz bewusst ist. Im Haftet auch eine gewisse Romantik an. All dies bringt der erst 22 jährige perfekt auf den Punkt. Chalamet schafft dabei auch etwas, was seinen hochgelobten Kollegen des gleichen Alters misslingt, er geht an Grenzen heran, an die sich viele nicht heranwagen. Zum Einen kann er die Emotionen Elios so authentisch transportieren und in jeder Einstellung sieht man ihm förmlich an was in dem Jungen vorgeht. Die emotionalen Szenen spielt er so überzeugend. Gerade in der letzten Einstellung, die mehrere Minuten lang einfach nur das Gesicht von Timothée Chalamet zeigt wird deutlich wie viel Talent in dem Star liegt. Aber auch eine andere Sache schafft er, was ihn endgültig von Schauspielern wie Lawrence, Holland, Egerton oder Ridley abhebt. Er spielt die zwischenmenschliche Szenen, die auch in eine intim, sexuelle Handlung ausschlagen so authentisch und einfach ohne Angst. Dabei dreht er eben nicht nur mit einem älteren Darsteller, sondern eben auch mit den gleichen Geschlecht. Hier gilt einfach großer Respekt, den Chalamet überschreitet Grenzen, die man eben so nicht kennt, von Darstellern seines Alters. Ich hoffe dass man von dem "Interstellar" und "Lady Bird" Star noch sehr viel öfters etwas hören wird. Sein großartiger Konterpart ist Armie Hammer als Oliver, der ebenfalls dafür sorgt, dass hier eine authentische und echte Liebesgeschichte entsteht. Hammer spielt so gut wie nie und verkörpert mit seiner Rolle, das genaue Gegenteil von Elio. Dabei haftet auch ihm etwas zärtliches an und seine selbstbewusste Art fesselt das Publikum. Immer etwas Untergehen tut dabei der großartige Michael Stuhlbarg (A Serious Man, Shape Of Water, Arrival"), der Elios Vater spielt und eine so liebevolle, und warmherzige Figur spielt, die man sofort ins Herz schließt. So mal ihm einer der besten Monologe gehört, die es je gab und der einfach zu tränen rührt. Diese Szene gehört zu den stärksten des ganzen Films.
Kurz: "Call Me By Your Name" ist ein absolut authentisches und warmherziges Meisterwerk, das den Fokus nicht auf die gleichgeschlechtliche Liebe legt, sondern auf die Liebe im ganzen und dabei ein berührendes Gesamtwerk abliefert, dass durch ein perfektes Handwerk, wie auch Drehbuch überzeugt. Dennoch steht der Film auch für ein hohes Maß an Toleranz, dass sich dem Grundthema des Erwachsenwerdens, sowie der Selbstfindung, unterordnet. Dabei sind es die herausragenden Leistungen der Darsteller, die den Film tragen und eine überragende Chemie transportieren. Gerade Timothée Chalamet sticht heraus und geht an schauspielerische Grenzen, an die sich kaum jemand in seinem Alter herantrauen. Ein echtes Meisterwerk.