Rammsteins Bühnenperformance bestmöglich einzufangen, haben schon viele versucht. Nach „Live aus Berlin“, „Lichtspielhaus“, „Völkerball“ und „Rammstein in Amerika“ ist „Rammstein: Paris“ bereits der fünfte Konzertfilm über die NDH-Band. Der schwedische Filmemacher Jonas Åkerlund („Spun – Leben im Rausch“), der unter anderem bereits Musikvideos für U2, Metallica, Madonna und Taylor Swift gedreht hat, setzt für seine Umsetzung nun auf das wichtigste Element des Rammstein-Konzepts: absolute Perfektion. Genauso wie der Rockfünfer jeden seiner inhaltlichen Tabubrüche – Inzest, Kannibalismus, nationalsozialistische Körperästhetik – über die Jahre schauspielerisch präzise in seine Live-Performances eingebaut hat, so formvollendet in Bild und Ton gerät die Inszenierung des Regisseurs.
Die 1994 in Berlin gegründete Band spielte 2012 im Zuge der „Made in Germany“-Tournee an zwei Abenden im Pariser Palais Omnisports vor jeweils 17.000 Menschen. Um den brachialen Sound und die ausschweifenden Gesten der Bühnenshow einzufangen, richtete Videoregisseur Jonas Åkerlund jeweils 30 Kameras auf die Bühne und die Zuschauermenge. In der Folge hält er all jene Showelemente, die Rammstein mittlerweile generationsübergreifend zum Publikumsmagneten machen, über anderthalb Stunden in hochglänzenden Sequenzen fest: Von der phallischen Schaumkanone über Flammenkostüme bis zu simulierten Unterwerfungssexszenen ist alles dabei. Mit viel Aufwand im Schnittraum hat Åkerlund die Aufnahmen zu einem beinahe perfekten Bilderrausch orchestriert.
„Rammstein-Konzerte sind eine große punktgenaue Choreografie. Es gibt so viele Special Effects, Requisiten, Kostümwechsel, Pyrotechnik“, schwärmt Åkerlund von der dramaturgischen Steilvorlage für seinen Film. Diese Mischung aus Konzert, Zirkus und Theater optimal in die Kinosäle zu bringen, dauert dementsprechend. Wie schon zwischen dem New York-Gig 2010 und dessen DVD-Übersetzung „In Amerika“ vergingen in der Postproduktion geschlagene fünf Jahre. Dafür dürfen sich Fans nun über das bis dato mitreißendste Filmdokument des Live-Erlebnisses freuen. Der Zuschauer ist backstage und im Saal hautnah dabei: Wenn Rammstein gladiatorengleich in die Arena einlaufen oder an der Lederleine geführt über Stahlgerüste kriechen. Wenn Keyboarder Flake in einem riesigen Gusseisentopf gekocht wird. Wenn das Publikum mit schaumspuckendem Pappmaché-Penis feucht beglückt wird. Atemberaubende Feuerzeitlupen und digital eingespielte Videosequenzen („Engel“) liefern zusätzliches Make-up für das eh schon verschwenderische Rocktheater („Amour“).
Die schnellen Schnitte passen dabei jederzeit genau zum Rhythmus der Musik. Die Kameras wechseln in den Weitwinkel, wenn die Flammenwerfer den Saal erleuchten, und bieten ansonsten kontrastreiche Bilder in Halbtotalen und Nahaufnahmen. Das Wechselspiel zwischen ikonischem Kostümtheater und dem unmittelbaren Animalismus, mit dem sich Sänger Till Lindemann noch mit Mitte 50 aufs Brusthaar hämmert, tritt so deutlich zu Tage. Die Menschen hinter den Bühnenpersönlichkeiten der Bandmitglieder kommen im Film fast nicht vor. Bühnenansagen gibt es nicht, dasselbe gilt für Musikpausen: Rammstein feuern ohne Unterlass und scheinbar fehlerlos auf allen brennenden Saiten. Erst kurz vor der Zugabe lässt Åkerlund Nahbarkeit zu, wenn ein lächelnder Lindemann sich mit Mercis beim frenetischen Publikum bedankt, das im Übrigen vor allem Masse bleibt. Es dient als wuseliges Kamerafutter für einen ekstatischen Rammstein-Parteitag. Was die Berliner mit ihrer martialischen Muskel- und Stahldarbietung erreichen, ist viel größer als die Summe der einzelnen Teile, scheint Åkerlund damit unterstreichen zu wollen. Für ihn bleiben Rammstein absolute Meister des schwarzromantischen Spektakels und das bringt er mit Nachdruck auf die Leinwand.
Fazit: Jonas Åkerlunds in Bild und Ton absolut brillanter Konzertfilm von Rammsteins Auftritten 2012 in Paris bringt das Live-Erlebnis ins (Heim-)Kino.