CATS: EIN ERSTAUNLICH WOHLWOLLENDER KOMMENTAR
Oder auch: Was haben eigentlich alle erwartet?
Ich habe Cats gesehen. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der unglaublich schlechten Kritiken und ich traue mich jetzt einfach mal hier öffentlich zu gestehen: Ich fand ihn gar nicht so schlecht!
Nein es war nicht der Film des Jahres und ja, er hatte ein paar ernsthafte Probleme. Aber meines Erachtens erheblich weniger, als die Presse uns gesammelt vermittelt.
Zuallererst: Die deutsche Fassung geht einfach mal gar nicht. Die meisten Stimmen sind dünn, einfach keine Singstimmen und werden den Partituren nicht im geringsten gerecht und die Reim dich oder ich schlag dich – Übersetzung tut genau so weh, wie sie das in den meisten Disneyfilmen tut. Alleine das eine englische Lied im Abspann ist davon Welten entfernt.
Und ja es stimmt, nett ist es nicht, dass Bild der ausgerechnet moppeligen Tölpel-Katzen. (Obwohl man als Katzenfreund ein ganz bisschen ehrlich sagen muss - völlig von menschlicher Body-Positivity abgesehen – kennen wir nicht tatsächlich alle diese pummeligen, immer hungrigen Katzen, die sich selbst für die agilsten Sportler halten, immer in den seltsamsten Situationen landen und dabei ein blasiertes „War genau so gedacht!“ - Gesicht aufsetzen? Aber zugegeben, unser super schlanker Kater ist auch nicht gerade der geschickteste)
Und am schlimmsten und auch immer wieder zu recht verschrien: Die Technik. Aber im Gegensatz zum allgemeinen lauten Aufschrei, würde ich hier gerne kurz differenzieren! Es gibt nämlich durchaus etliche Szenen, in denen es wunderbar funktioniert! Und dann kommt wieder eine Szene, in der die Beine sehr seltsame Dinge machen, mal Barfuß, mal mit Spitzenschuhen getanzt wird, das ganze auch gerne mal 10 cm über dem eigentlichen Boden, die Hände mal behaart sind und mal nicht und so weiter. Hier wird einfach ganz klar, was mittlerweile ohnehin duchgesickert ist: der Film ist nicht rechtzeitig fertig geworden. Das ist auch kein Ooops, hat wohl keiner bemerkt, sondern: „Da fehlen noch einige komplette Arbeitsschritte“ und nein, sie „versenden“ sich leider nicht und ich gehöre eigentlich wirklich zur Fraktion „Echt? Habe ich gar nicht gesehen, ich achte auf die Geschichte.“
Aber bei aller bisher gelesener Kritik ist meine Frage weniger: Was hat der Film falsch gemacht? Als: Was haben eigentlich alle erwartet??
Das fängt bei den Katzen an. Real Life Cats. Ok, vollanimierte Aristocats ist also raus. Normale Menschen mit Plüschohren? Auch albern. Die Bühnenversion mit Fellmütze und viel Make up? Da muss ein Film heutzutage einfach mehr bringen. CGI-befellte Menschen, die immer noch in ihren Körpern prima ballettieren können, sind da die absolut logische Lösung. (und wären wahrscheinlich auch gar nicht so schrecklich unheimlich gewesen, hätte man dem Team die Zeit gelassen, es auch vernünftig zu bearbeiten)
Ansonsten ist Cats eben ein Bühnenmuscial. Jeglicher Pathos, die flachen Gags und selbst das Überspielen ist genau das und wurde eben genau so inszeniert. Nur das wir es normalerweise aus Reihe 27 sehen und uns die leicht überzogene Gesichtsgymnastik gar nicht auffällt aus der Ferne. Und bei den gleichen flachen Slapstick-Einlagen liegen die Reihen der Abonnenten im Theater unter den Stühlen vor Lachen.
Die Story steht fest, die Lieder stehen fest, und ja, es geht tatsächlich nur um einen Haufen eitler Katzen, die sich selber profilieren, um am Ende von einer plüschigen Judy Dench in den Himmel erhoben zu werden. Aber das weiß man doch, wenn man nur einmal den Klappentext von T.S. Elliot gelesen hat.
Cats ist, und war auch noch nie, mehr als besseres Boulevard-Theater. Nur weil es zum Film gemacht wurde, wird nicht plötzlich ein gesellschaftskritisches Les Miserables mit tiefgehenden Charakterentwicklungen daraus, auch wenn es vom gleichen Regisseur ist.
Und nur weil die Lieder auf der Leinwand von Leuten wie Taylor Swift und Idris Elba gesungen werden (zumindest wenn man sich nicht durch die Synchrofassung quälen muss) werden die oft etwas sperrigen Songs nicht automatisch zu schmissigen Gassenhauern.
Der musikalische Spannungsbogen von Cats hat schon immer daraus bestanden, sich viele unbekannte und nur ganz entfernt bekannte Lieder lang zu fragen: Und wann kommt jetzt endlich Memories?
Vor lauter Gemecker und sich gegenseitig im regelrechten Hass auf den Film Recht geben, scheint keiner mehr zu sehen, was an dem Film auch gut gelaufen ist.
Von klassischem Ballett kann man halten was man will, aber um ehrlich zu sein, waren wirklich schöne (Bühnen - ) Choreographien, getanzt von guten Tänzern zu sehen. Dabei ist der Film seiner Historie treu geblieben und hat nicht versucht sich durch plötzlich eingeschobene Rap- oder HipHop-Nummern (wie zum Beispiel beim neuen Mary Poppins) beim jüngeren Publikum anzubiedern.
Mit der oft wirklich liebevollen und schillernden Ausstattung (bzw. CGI – Hintergründen), hat sich der Film über das Bühnenstück hinweg gehoben– hier konnte er sich austoben und all das Potential zeigen das es mit sich bringt, wenn nicht jede einzelne Kiste schnell transportabel zusammen gezimmert werden muss, sondern der Fantasie freien Lauf gelassen wird. Und es sind meines Erachtens ein paar wirklich tolle Bilder dabei! Klar, ein bisschen zu viel, ein bisschen zu kitschig, aber das IST Musical nun mal.
Deswegen kann ich für mich nur feststellen: Abgesehen von den am Anfang erwähnten Problemen macht Cats seine Sache – für das was es ist und was es sein will – in meinen Augen gut.
Das einzige, was ich wirklich wirklich nicht verstehe, ist, warum sich die Zeit nicht noch genommen wurde. Klar die Premiere war angekündigt, aber hier fehlen Monate an Arbeit, das ist doch nicht erst am vorletzten Tag aufgefallen. Warum wurde nicht den vielen vielen Künstlern und Spezialisten, den vielen Mitwirkenden und Machern - die jetzt garantiert mit mehr Bauchschmerzen diesen Film und alle seine Makel sehen als jeder noch so erzürnte Kritiker – und letztendlich dem Publikum, der „Gefallen“ getan, die Zeit die noch nötig war, hinein zu stecken und den Kinostart zu verschieben? Es schmerzt mir in meiner Filmemacherbrust für sie alle, von denen jeder bestimmt sein bestes gegeben hat, es aber offensichtlich im vorgegebenen Zeitrahmen nicht zu schaffen war.
Und da ich mir die anderen Lieder wieder alle nicht wirklich merken konnte, der Film aber doch seinen (wie auch immer gearteten) Eindruck hinterlassen hat, werde ich wohl noch die nächsten drei Tage meinen Sohn damit nerven, in den unpassendsten Momenten in ein trillerndes „Memories!!!.....“ auszubrechen. Sorry...