Ich halte Tully für einen gelungen Film. Marlo (gespielt von Charlize Theron) bringt ihr drittes Kind zur Welt. In ihrer Mutterrolle fühlt sie sich überfordert, wo auch ihr verhaltensauffälliger Sohn einen großen Teil zu beiträgt. Ihr Bruder schlägt ihr vor, den Dienst einer Nachtnunny in Anspruch zu nehmen, damit sie entlastet wird. Nach anfänglichem Zögern nimmt sie den Ratschlag schließlich an und bekommt von da an Unterstützung von der jungen Tully.
Direkt zu Beginn des Films fühlte ich mich als Zuschauer in die Handlung mit einbezogen. Die Anfälle, die der Sohn bekommt und Marlo, die verzweifelt versucht ihn zu beruhigen, daran hindern, einen Termin rechtzeitig wahrzunehmen, sind sehr überzeugend dargestellt. Und als das Kind geboren wurde und Marlos Schwägerin ihr das Kind geben wollte, wurde sie von Marlo gebeten, es in die Krippe zu legen - obwohl man von einer Mutter normalerweise erwartet, dass sie ihr neu geborenes Kind erst einmal mit Freudentränen in ihren Armen halten will. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Und ich war froh, dass ich nicht an ihrer Stelle oder an der Stelle ihres Mannes war. Zwar handelte es sich in diesem Film bei dem dritten Kind um kein Wunschkind, was aber für die Situation nicht entscheidend ist. Viele Menschen wünschen sich Kinder, ohne sich darüber bewusst zu sein, dass sie sich nur Kinder wünschen, weil es „zum guten Ton“ gehört, um dazu zu gehören, machen sich aber zu wenig Gedanken darüber, ob sie wirklich dazu in der Lage sind, Kinder groß zu ziehen und dafür zu sorgen. Wie oft ist es schon vorgekommen, dass Eltern ihre kleinen Kinder umgebracht haben? Solche Menschen hätten niemals Kinder zur Welt bringen dürfen. In diesem Film ist glücklicherweise kein Kind umgebracht worden, aber er bringt vielleicht manche Leute dazu nachzudenken, ob sie wirklich dazu in der Lage sind, gute Eltern zu sein.
Auch die Begegnung mit Tully ist sehr überzeugend dargestellt. Das Ende ist absolut überraschend und NICHT vorhersehbar - auch wenn viele schon behauptet haben, dass es vorhersehbar sei, aber das lässt sich ja hinterher immer gerne behaupten (Die Standardkritik eben, die man bei fast jedem Film oder Buch zu lesen oder zu hören bekommt). Ich hatte mich zwar gewundert, warum z. B. Marlos Mann, als Tully zum ersten Mal kam, nicht auch dazu kam, um sie kennen zu lernen, habe das Desinteresse dann aber darauf geschoben, dass auch er mit der familiären Situation nicht zurecht kommt. Erst am Ende wurde deutlich, woran es lag.
Nur ein paar kleine Unstimmigkeiten blieben am Schluss, die aber nicht so gravierend waren.
Insgesamt ist es ein interessanter und schöner Film und ich verstehe nicht, wieso er teilweise so schlechte Kritik bekommen hat, während ein gewisser anderer Film, den ich hier mal nicht erwähne, total hochgelobt wird.