Das Vollführen einer Sportart mit der Aufführung auf einer Bühne zu vergleichen, hat sich in das Vokabular der zeitgenössischen Berichterstattung eingebürgert. Die Konstellationen in großen Stadien mit heller Beleuchtung und regem Zuschauerinteresse, das in Vergöttlichung der Athleten ausartet, kommt einem Personenkult gleich, wie ihn in längst vergangenen Tagen Performer in edlen Theaterhäusern aufzubauen wussten. Als Eiskunstlaufen, bei der es sich um eine Sportart handelt, welche wirklich fruchtbaren Boden ohne künstlich hinzugefügte Elemente, die von der eigentlichen sportlichen Ausführung ablenken, für die oben angesprochene Assoziation bietet, sein lautestes Medienecho zelebrierte, stand dies jedoch nicht mit den Akten der Körperbeherrschung auf gefrorenem Grund in Zusammenhang. Das Bühnenlicht von der Eisfläche wurde auf den auf sie zulaufenden Gang, wo Nancy Kerrigan bitterlich weinte, gerichtet. Die Favoritin auf eine Medaille bei den anstehenden olympischen Spielen 1994 in Lillehammer war Opfer einer Attacke geworden. Mit einem Schlag auf das Knie sollte den Ambitionen ein medizinisch unausweichliches Ende gesetzt werden. Der Fall erreichte Seifenoper-Charakter als bald Tonya Harding mit ihrer Entourage, die sich aus ihrem Ehemann, der zeitgleich auch als Manager agierte, und ihrem Leibwächter zusammensetzte, in den Blickpunkt des ermittelnden FBIs geriet. Die Medien stürzten sich auf die Story, sodass der olympische Wettbewerb in den Mittelpunkt des kollektiven Interesses an der Olympiade rückte. Nancy Kerrigan triumphierte mit einer Silbermedaille, während Tonya Harding lediglich eine Platzierung in der zweiten Hälfte der Liste der führenden zehn Teilnehmerrinnen erreichte.
Rund um dieses Kapitel der Sportgeschichte liefert Regisseur Craig Gillespie ein Biopic ab, das in seiner Struktur sowie den schauspielerischen Komponenten erfrischende Akzente bietet und Margot Robbie nebenbei hilft sich von dem Image der Baseballschläger schwingenden Femme Fatale und Frau an der Seite des Jokers, Harley Quinn, in der ersten mit einem Oscar prämierten Comicverfilmung Suicide Squad zu befreien. Einen kleinen Hinweis auf die Rollenbiographie ihres Stars kann sich der Film nicht verkneifen und das ist ehrlich gesagt auch gut so! Momente, wie eine wahnsinnige Variante von Tonya Harding in die Kamera lächelt sind Momente, die dem Zuschauer Orientierungspunkte zur Bewertung der Geschichte bieten. Jede Figur liefert ein Puzzleteil in Form von Interviews im Mockumentarystil, in denen Tonya, ihr Ehemann, Leibwächter und schließlich LaVona, großartig verkörpert von Allison Janney, die mit ihrer Figur eine Verachtung auslösende Filmmutter an der Grenze der Erträglichkeit zum Leben erweckt. Tonya durchläuft zuerst die von Drill geprägte Kindheit im Redneckhaushalt, eine Liebe mit Hieben zu dem Taugenichts von Ehemann und einen Strang mit hohem Identifikationspotential. Andersartigkeit in einem genormten System lässt die eigentlich brillante Ausführung des Performers in den Hintergrund treten. Die verdiente Anerkennung blieb Tonya verwehrt, sodass selbst die perfekte Ausführung eines „dreifachen Axels“ den sie als erste Frau makellos vollführte in den Augen der Kampfrichter nicht das Laufen zu Rockmusik und selbstgeschneiderter Amateurgarderobe als Wettkampfkleidung wettmachte. Nein, eine Prinzessin war Tonya Harding nicht. Eher ein von den falschen Umständen gebeuteltes Jahrhunderttalent, dass wir zumindest auf der Kinoleinwand in dem Licht erstrahlen sehen, wie es ihr zu aktiven Zeit nie vergönnt war. Während der ausschließlich von Tonya dargebotenen Performances scheinen die Farben der Kostüme, die noch in der Umkleide befremdlich matt in Szene gesetzt sind, heller, wobei die Kameraführung den eigenen Reigen vollführt. In diesen Momenten wähnt man sich einer polarisierenden Gestalt am nächsten. Einer entscheidenden Antwort über den Wissensstand der lebenslang gesperrten Eiskunstläuferin entzieht sich die Erzählung aufgrund ihrer Vielzahl an Aussagen und Perspektivierungen frei der bereits im Trailer getätigten Aussage „Sowas wie die Wahrheit gibt es nicht“ innerhalb des Figurenensembles geschickt. Ein Stilmittel, das vermehrt zum Einsatz kommt und den nicht vorhandenen Anspruch auf eine lückenlose Dokumentation des Geschehens mit Nachdruck herausstellt, sind die Momente, in denen Tonya das Publikum direkt mit schnippischen Kommentaren anspricht. Gemessen an der öffentlichen Wahrnehmung der Protagonistin eine richtige Entscheidung, da so in Verknüpfung mit der kriminalistischen Brisanz der Ereignisse die Relevanz von Entfremdung unterschwellig in die Ästhetik miteinbezogen wird. Was bleibt ist die Einsamkeit einer polarisierenden Sportlerin, die verzweifelt vor dem Rande eines Nervenzusammenbruchs im Schein der Spiegellampen versucht, ungelenk geschminkt ein Lächeln zu finden, damit die Leute sie endlich lieben…
Dem Film sollte diese Zuwendung zuteilwerden. Mit der Leinwand als Bühne.