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Cursha
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4,5
Veröffentlicht am 21. Mai 2022
"120 bpm" hat mich vollkommen überrascht. In einem fast schon dokumentarischen Stil, gepaart mit langen Dialogen, die meist über einen längeren Zeitraum an einem Ort spielen, wird ein unglaubliches Gefühl der Echtheit geschaffen. Trotz kleiner Witze im Drehbuch, sehr greifbaren und rebellischen Figuren löst der Film aber dennoch ein stetiges Gefühl der Beunruhigung aus und hatte auf mich eine zu tiefst drückende Stummung. Schauspielerisch ist der Film klasse und auch Musik wird hier wieder gezielt eingesetzt. Auch ansonsten fährt der Film die gewohnten Stärken des französischen Kinos auf. Die Thematik ist super spannend, gerade aus der Retrospektive betrachtet und verglichen zum Wandel von heute. Kurz: "120 bpm" ist hervorragendes Kino, das durch seinen dokumentarischen Stil ein enormes Gefühl des Unwohlseins bei mir ausgelöst hat.
Eine große Klatsche. Sehr schöner Film. Sehr gut gedreht, geschnitten, und gespielt. Ein Stern weniger weil es nicht ganz nötig war, dass der Film so lange dauert, was man an zwei Stellen spürt. Man wird aber schnell wieder abgeholt.
Mit dokumentarisch anmutender Genauigkeit erzählt Campillo von Act Up: Diese Gruppe, die sich mit vollem Namen "AIDS Coalition to Unleash Power" nennt, gründete sich 1987 in New York. Zwei Jahre später schlossen sich auch in Paris Aktivisten zusammen. Ihre Wut zielte auf den Staatspräsidenten Mitterand, der die AIDS-Epidemie in den 80er Jahren nicht ernst genug genommen und zu wenig für die Prävention unternommen hat.
Die Gruppe ist bekannt für ihre sehr medienwirksamen, drastischen Aktionsformen, mit denen sie die Öffentlichkeit wachrütteln wollte. So beginnt der Film auch mit einer Störaktion inklusive Kunstblut, mit der sie ein Event des Gesundheitsministeriums torpedierte. Die Aktionsformen wurden basisdemokratisch ausdiskutiert, in einer der stärkeren Szenen dieses mit 143 Minuten zu langen Films wurden Vertreter einer Pharma-Firma wie vor ein Tribunal vorgeladen.
Campillo erzählt seine Zeitreise in die frühen 90er Jahre als Kompilation verschiedener Erfahrungen, die er während seines Act up-Engagements ab 1992 gemacht hat. Der Film ist um die tödlich endende Liebesgeschichte von Sean (Nahuel Pérez Biscayart) und Nathan (Arnaud Valois) herum konzipiert, die dem Publikum nichts erspart: Der schleichende körperliche Verfall, die immer schlimmer werdenden Symptome und auch die ethische Frage, ob Sterbehilfe in diesem Fall eine Erlösung von langem Leid sein kann, breitet Campillo in geradezu epischer Länge aus.
Bewegend, sehenswert - auch wenn man hier das Kino mit feuchten Augen verlassen wird. Vom Hauptdarsteller sehr eindrucksvoll und unglaublich authentisch gespielt.