Früher oder später schafft es so ziemlich jede zeitgeschichtlich einigermaßen bedeutsame Epoche ins TV-Format. Jetzt ist es also die Nachkriegszeit, die hier für ein neues öffentlich-rechtliches Sittengemälde herhalten darf und das überrascht eigentlich niemanden. In akribisch recherchierten Sets, optisch ansprechenden Tanzaufnahmen und über eine epische Lauflänge von viereinhalb Stunden entfaltet Regisseur Sven Bohse ein dicht gefülltes Panorama einer Gesellschaft im Umbruch. Da sind die alten verknöcherten Strukturen, gegen die insbesondere die Jugend rebelliert, erste Anzeichen einer von den Älteren kritisch beäugten Popkultur und Weltbilder, die aufeinanderprallen.
An Konflikten mangelt es also nicht, möglicherweise wirkt die Serie aber unter anderem deshalb ein wenig überfrachtet, da das Drehbuch von Annette Hess (die in "Weissensee" schon treffsicher zwei DDR-Familien porträtierte) wirklich jeden Konflikt dieser Zeit zu verarbeiten versucht: aufbegehrender Nachwuchs, Sittenstrenge, die Nachwirkungen des Dritten Reichs, Klassenkämpfe, unterdrückte Homosexualität, fragwürdige medizinische Methoden, totgeschwiegene Vergewaltigungen, nörgelige Ehemänner und vieles mehr. Das sind ohne Frage wichtige und filmisch spannende Themen, allerdings werden sie der Reihe nach lehrbuchmäßig abgehandelt und lassen die Fünfziger im Vergleich zu heute eher wie das finsterste Mittelalter erscheinen. Was auch insgesamt die Botschaft des Dreiteilers zu sein scheint. Klar werden da auch Träume verwirklicht, Alternativen gezeigt und die Frage thematisiert, was man denn tun soll, wenn man sich am falschen Platz wähnt. Erzählerisch kann "Ku'damm 56" den einschlägigen deutschen TV-Filmen aber insgesamt nur wenig hinzufügen.
Dafür weiß die Optik von vorne bis hinten zu gefallen und die Mehrheit der Darsteller versteht es auch, ihre Figuren nachvollziehbar zu spielen. Vor allem die im Mittelpunkt der Handlung stehenden Schöllack-Töchter werden im Verlauf der Geschichte zu Heldinnen, mit denen man sogar ein wenig mitfiebert. Lediglich Claudia Michelsen und Sabin Tambrea bieten hier höchstens Neuauflagen von Charakteren, die sie schon in anderen Filmen wie "Die Päpstin", beziehungsweise "Das Geheimnis der Hebamme" zum besten gaben. Dass die eigentliche Komplexität aller Figuren letztendlich mehr angedeutet als tatsächlich umgesetzt wird, liegt eher am schon angesprochenen Konfliktüberschuss, neben dem ja auch noch eine Familiengeschichte untergebracht werden soll.
Damit ist die Serie zwar ein handwerklich pinzipiell gelungenes Stück Fernsehen für Zwischendurch, erreicht aber nicht die Qualitäten von anderen aktuellen historischen TV-Events wie "Mordkommission Berlin 1" oder "Duell der Brüder".