„Ghost Stories“ von Andy Nyman und Jeremy Dyson ist für beide Regisseure der erste abendfüllende Kinofilm. Rainer Stefan, der Chef des Fantasy Filmfests, bedankte sich in München beim deutschen Filmverleiher Concorde für das Screening vor dem Kinostart in Deutschland (19.04.2018) und kündigte den unheimlichsten Film des Jahres an.
Wenn angeblich übernatürliche Phänomene publiziert oder Geisterveranstaltungen von selbsternannten Medien abgehalten werden, ist Prof. Goodman (Andy Nyman) zur Stelle und entlarvt oder stört die Scharlatane. Als ein lange verschollener Kollege auftaucht und von drei Fällen erzählt, in denen sich Paranormales abgespielt haben soll, nimmt Goodman die Dinge in die eigene Hand und ist sich seiner Sache zunächst sicher.
Die beiden Regisseure sind überwiegend für TV-Serien tätig gewesen, Nyman als Schauspieler und Dyson als Autor. Vornehmlich Serien-Erfahrung haben auch Kameramann Ole Bratt Birkeland und Editor Billy Sneddon. „Ghost Stories“ fässt sich wie ein aufwändiger Kinofilm an: Das Publikum bekommt nach dem Drehbuch der Regisseure ein Hochglanzprodukt präsentiert, dass entsprechend anspruchsvoll mit Kameraarbeit, Schnitt und dem Score von Haim Frank Ilfman („68 Kill“) ausgestaltet ist.
Das Unternehmen Angst funktioniert. Gemäß Filmfestbeschreibung verneigt sich „Ghost Stories“ vor dem Klassiker „Dead of Night“ (1945). Hat man keine Idee für einen Langfilm, aber für drei Kurzfilme, braucht man nur noch ein paar assoziative Details und schon entsteht ein Gesamtwerk. Ob so etwas heutzutage noch reicht? Das liest sich etwas abwertend, ist aber so nicht gemeint, denn der dreiteilige Grusel-Thriller ist ordentlich konstruiert: Parallelen, Rätselhaftes und Hinweise werden geschickt gestreut und lassen die Zuschauer spekulieren. Ein schwarzhaariges Mädchen im gelben Kleid lässt sich im anderen Part als Puppe sehen. Dann ist da noch die allgegenwärtige Kapuzengestalt. So scheinen die Episoden getrennt zu sein, aber doch einiges gemeinsam zu haben. „Ghost Stories“ wird durch vorbildliches Handwerk wirklich richtig unheimlich und ist erheblich besser als Horror von der Stange, der nur billig schocken möchte. Auch der britische Humor kommt nicht zu kurz: Alex Lawther („The Imitation Game“) spielt den Jugendlichen Simon Rifkind genial verrückt und wenn Martin Freeman als erfolgreicher, aber einsamer Geschäftsmann Mike Priddle die dritte Ghoststory bestimmt, ist dessen Ausstrahlung mehr als bemerkenswert eingefangen.
Genre-Knaller wie „Shutter Island“ (2010 von Martin Scorsese) und „The Sixth Sense“ (1999 von M. Night Shyamalan) spielen mindestens eine Liga höher. Insbesondere der erstgenannte Thriller ist intelligenter zusammengebaut und lässt die Kinobesucher zum Ende über die tatsächlichen Begebenheiten ohne Erleuchtung das Lichtspielhaus verlassen; Erzählermut, der an der Kinokasse belohnt wurde. Nyman und Dyson zeigen eine ansehnliche Auflösung, gefolgt von einer Überraschung, die das ein oder andere „na ja“ nach sich ziehen dürfte. Nach dem Abspann macht es Spaß, über Verlauf und Verbindungen zu diskutieren, aber auch über ein brauchbareres Finale.
„Ghost Stories“ überzeugt durch Aufmachung, Grusel und Humor.