"Wind River" von Taylor Sheridan hinterlässt mich zwiegespalten. Der Film ist sehr gut gemacht, aber inhaltlich war da einfach viel zu viel daneben.
Ich fange mal mit den positiven Aspekten an: Die Landschaftsaufnahmen sind der Hammer und die Atmosphäre entfaltet von Anfang an einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Ja, der Film ist lang und ruhig, man könnte sagen: langatmig, aber gelangweilt habe ich mich trotzdem nicht. Ich fand, die stoische Gelassenheit des Erzähltempos passte zur Geschichte und zu den Figuren. Apropos: Zumindest die Hauptfiguren waren vielschichtig charakterisiert und von Jeremy Renner sowie Elizabeth Olsen feinfühlig und mitreißend gespielt.
Aber leider ist die Story, die Handlung, an vielen Stellen so moralisch fragwürdig und hat so ein bitteres Geschmäckle, dass der Film noch lange unangenehm nachhallt. Nicht zu leugnen ist zum Beispiel das "White Savior"-Motiv, das in der Figur des Cory Lambert (J. Renner) offensichtlich wird.
Er, der strahlende weiße Held, rettet den von aller Welt vergessenen, von alleine nichts auf die Reihe kriegenden, amerikanischen Ureinwohnern dauernd den Arsch. Er tötet die Raubtiere, die ihre Herden bedrohen (warum es dort keine Herdenschutzhunde gibt, die auf die Schafe und Rinder aufpassen, habe ich allerdings nicht verstanden. Ist das wirklich nötig, die Wölfe zu ermorden und der niedlichen Puma-Familie nach dem Leben zu trachten?), jagt den Mörder der Tochter seines Freundes, versorgt alle mit guten Ratschlägen, spielt Trauerbegleiter und Therapeut und bestimmt, wer alles tough ist und wer schwach. Die Ureinwohner hören ihm aufmerksam zu, lassen sich von ihm belehren, und bleiben passiv.
Bestimmt ist das alles total gut gemeint. Wir bekommen ja zum Schluss auch noch einmal unter die Nase gerieben, wie wenig die US-amerikanische Regierung für die Ureinwohner tut, dass sie sie am liebsten komplett ignorieren würden. Und vermutlich muss man schon froh sein, dass die Ureinwohner nicht ins Lächerliche gezogen werden und nicht die Bösen sind. Aber mit dieser passiven Rolle als Stichwortgeber und Anspielpartner des "White Savior" hat man ihnen meines Erachtens keinen Gefallen getan.
Dann ist zwar die FBI-Agentin Jane Banner eine kluge, engagierte und starke Frauenfigur, aber dennoch braucht auch sie den starken Mann an ihrer Seite, um ihren Job vernünftig machen zu können. Und sie braucht den tollen Kerl auch, damit dieser ihr sagt, dass sie stark und tough ist.
Gut, vielleicht neigen Frauen dazu, sich selbst kleinzumachen und ihr Licht unter den Scheffel zu stellen, da bin ich nicht die Richtige, um da zu widersprechen. Aber muss man denn so einen gönnerhaften, väterlichen Tonfall anschlagen, wenn man einer Frau sagt, wie stark sie sei?
Außerdem ist es auch ziemlich ignorant, denn in dem Moment war sie mit den Nerven völlig fertig, tieftraurig und traumatisiert. Da ist doch das Letzte, was man hören will, wie tough man doch sei. Dann fühlt man sich doch verpflichtet, die Scheiße, die man erlebt hat, "wie ein Mann" zu ertragen, und die ganzen Gefühle in sich hineinzufressen. Auch hier: war bestimmt gut gemeint. Aber spätestens dann hat mich dieser allumfassend weise Kalenderspruchklopfer echt genervt. Und wie er dem einen Jungen klarmachen will, dass er doch eine super Perspektive als Kanonenfutter in der Army und somit überhaupt keinen Grund hat, sich über Aussichtslosigkeit zu beklagen und seinen Frust mit Drogen zu betäuben.
Und schließlich sollte man auch nicht außer Acht lassen, dass es hierbei um einen eiskalten (Höhö!) Rachethriller handelt und um einen Mann, der findet, er stehe selbst über dem Gesetz und müsse selbiges in die eigene Hand nehmen, weil die Gurkentruppe aus Ureinwohnern und einer Frau ja sonst nichts gebacken kriegt. Und dieses Selbstjustiz-Gedöns halte ich immer für schwierig. Ich weiß, in der US-amerikanischen Kultur sieht man das anders, da kann ja auch nur ein guter Kerl mit einer Waffe einen schlechten Kerl mit einer Waffe aufhalten.
Fazit: Faszinierende Atmosphäre, aber verstörender bis ärgerlicher Inhalt. Würde ich eher von abraten.