Es geht stylisch los: Der Vorspann könnte glatt aus irgendeinem finsteren Schwedenkrimi stammen, diverse Storyelemente werden unaufdringlich angeschnitten, enorme Sogwirkung deutet sich an. Mit dem Porträt des abgehalfterten Soldaten hält sich Duken danach zum Glück nicht allzu lange auf. Kaum sitzen die beiden Männer im Auto, ist klar, dass das nicht lange gut gehen kann. Sind dann die Fronten erst einmal geklärt, gibt es allerhand Möglichkeiten für das was passieren kann. Tatsächlich spielt sich in der ersten Filmhälfte ein ausgewachsenes Psychoduell auf engstem Raum ab, das zeitweise an "No Turning Back - Locke" oder den Jubiläums-Tatort "Taxi nach Leipzig" erinnert.
Aber der Film will mehr. Und das ist sein gutes Recht. Kritik an Politik und Gesellschaft klingt auf der mörderischen Autofahrt immer wieder an, während Andreas' tatsächliche Motive bis kurz vor dem Schlussakkord ominös bleiben. Bombe, Waffe, Plan - aber wozu? Im Mittelteil scheint die Auflösung kurzzeitig klar zu sein, vor allem wenn Frank sich visuell eindrücklich den Dämonen seiner Vergangenheit stellen muss. Überhaupt ist der Film optisch gelungen - von der trostlosen Einöde Brandenburgs bis zum dezent surrealistisch illuminierten nächtlichen Berlin. Die Kamera leistet mehr, als einfach nur pragmatisch das Geschehen zu beobachten, interessiert sich auch für Details und verdeutlicht die Orientierungslosigkeit des gebrochenen Helden, ohne je übersichtliche Bilder zu produzieren. Aber das nur am Rande.
© Edith Held / GrandHôtelPictures
Es wäre so schön einfach gewesen, den eindeutig gezeichneten Bösewicht zu beseitigen und einen strahlenden Helden zu präsentieren, doch man macht es sich nicht ganz so einfach wie noch im Schweiger-Reißer "Schutzengel". Der Schluss-Twist wird eher nebenbei per Dialog erklärt, um die beiden Gegner noch ein letztes Duell ausfechten zu lassen. Trotz der gut gemachten Kämpfe verkommt der kammerspielartige Thriller nie zum belanglosen Actionspektakel sondern konfrontiert sowohl den Ex-Soldaten Frank als auch den Zuschauer mit allerhand unangenehmen Wahrheiten, die im Zeitalter von Fake News und gefühlt zunehmender Radkalisierung in alle möglichen Richtungen nichts an Brisanz verloren haben. Dass da nicht plakativ mit dem Zeigefinger gewedelt wird, ist dem Film hoch anzurechnen. Ken Duken bleibt nah an seinen hervorragend gespielten Figuren und trägt nur bei den großen Enthüllungen von Andreas' Plänen etwas zu dick auf. Erst sind es gereimte Drohungen in Videobotschaften, später dann ein etwas zu offensichtlich gewähltes Autokennzeichen (gut aufpassen!), sowie eine obligatorische Tirade auf ungerechte Verhältnisse.
Dennoch gibt es hier keine einfachen Lösungen. Die Geschichte vom traumatisierten Krieger wurde schon oft erzählt, hier aber bis zu einem konsequenten Ende ohne jegliches Heile-Welt-Gerede oder Hinweise auf eine "richtige Gesinnung", die schon alles richten wird. Die Welt von "Berlin Falling" ist ähnlich kaputt wie die beiden Hauptfiguren und das kommt der Realität trotz aller künstlerischen Qualität erschreckend nahe. Stellenweise hätte man sich allerdings noch etwas mehr Aufklärung über die Verbindung zwischen Frank und Andreas gewünscht und erfahren, warum eigentlich niemand Schießereien auf öffentlichem Raum und mitten auf der Landstraße mitbekommt.
Der Film lief nur für wenige Tage im Kino, Mitproduzent Sky wertet den insgesamt sehr gelungenen Thriller hauptsächlich im Rahmen des eigenen Abo-Programms aus. Immerhin scheint es hierzulande mittlerweile möglich zu sein, qualitativ hochwertige Genreperlen zu drehen, selbst wenn man sich dafür von den etablierten Finanzierungssystemen abwenden muss. Aber wenn die Ergebnisse derartig ausfallen, dann bitte mehr davon!