CRASH TEST DUMMIES FÜR DIE FERNBEZIEHUNG
von Michael Grünwald | filmgenuss.com
In einer Beziehung sollte von vornherein klar sein, was der oder die eine von der oder dem anderen zu erwarten kann. Was für Ambitionen den jeweils anderen antreibt, welche Ziele im Fokus liegen. Im Idealfall unterstützt man sich da gegenseitig. Oder ist zu Kompromissen bereit. Oder aber alles bleibt beim Alten, und Menschen fürs Extreme kehren nach trauter Zweisamkeit am Urlaubsort dorthin zurück, von wo sie hergekommen sind, mit der Probe aufs Exempel für die Fernbeziehung. In vorliegender Romanadaption von Wim Wenders ist genau das der Fall. Alicia Vikander spielt eine erfolgreiche Wissenschaftlerin, die den Geheimnissen der Tiefsee auf den Grund gehen und noch unbekannte Parameter des Lebens dokumentieren will. James McAvoy gibt einen Undercover-Agenten, der Terrorgruppen in Afrika auf den Zahn fühlt. Beide Leben sind eigentlich solche, die, um andere schadlos zu halten, im Idealfall alleine geführt werden sollten. Platz für dauerhafte Beziehungen und Familie sieht das keinen vor. Doch davon wollen Vikander und McAvoy nichts wissen. Sie lernen sich an der französischen Atlantikküste kennen und lieben. Schlendern den Strand entlang, tauchen ein ins kühle Nass, erfragen das Leben des anderen. Mitunter im vertrauten, philosophisch orientierten Wim Wenders-Stil, zum Beispiel wenn handelnde Gestalten sich bedeutungsvoll expositionieren oder Gedanken aus dem Off hörbar sind. Der Location-Scout hat dabei ganze Arbeit geleistet. Die Küste der Bretagne mit ihren Bunker-Ruinen aus dem Weltkrieg haben etwas passend Surreales. Nach diesen gemeinsamen Tagen aber gehen Frau und Mann wieder auseinander, um dort weiterzumachen, wo sie aufgehört haben. An ihren jeweils eigenen Grenzwall des Machbaren – und wagen, jeder für sich, einen Schritt darüber hinaus. Biologin Danielle grundelt in der Tiefsee um schwarze Raucher herum, Agent James vegetiert im somalischen Kerker. Diese Grenzerfahrung im Tun – eine Gemeinsamkeit, auf die sich eine Beziehung begründen kann? Vielleicht ja. Wenn schon Extreme, dann auch in der Liebe. Oder ist eine solche ohne physische Nähe denn überhaupt möglich? Oder gar notwendig?
Grenzenlos (im Original Submergence, was soviel heisst wie „Untertauchen“) ist trotz einiger stilistischer Erkennungsmerkmale ein relativ untypischer Wim Wenders-Film. Im Normalfall ist der Deutsche ein Autorenfilmer, der auch schreibt, was er inszeniert. Bei Grenzenlos könnte es sich um eine klassische Auftragsarbeit gehandelt haben. Inszeniert ist das Ganze relativ routiniert. Schauspielerisch ebenso. Größtes Problem an der Sache: Vikander und McAvoy sollten ineinander verliebt sein – der Glaube daran hält sich wacker. Es gibt Filmpaare, da sprüht der Funken vor der Kamera, dass es eine Freude ist. In Grenzenlos aber bleibt die Annäherung seltsam unterkühlt, fast schon mechanischer Natur. Die kolportierte Intensität dieser Beziehung bleibt für mich kaum nachvollziehbar. Anbetracht dieser darzustellenden Charaktere kein Wunder: In Grenzenlos sind beide für sich losgelöste Trabanten, die sich vielleicht mal auf ihrer Flugbahn nahegekommen sind, sonst aber um sich selbst rotieren und ihre eigenen Widrigkeiten mit sich ziehen. Die einer Bestimmung folgen, die nicht teilbar oder übertragbar ist. Ein Liebesfilm über Einzelgänger? Ein interessanter Versuch, der aber kaum mehr als schmachtende Lippenbekenntnisse hervorbringt.
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