Eine junge Frau (Jennifer Laurence) lebt mit ihrem Gatten (Javier Bardem) in einer Landhausvilla im viktorianischen Stil. Während sie das Haus liebevoll renoviert, versucht er, seine Schreibblockade zu überwinden. Plötzlich stört ein fremder Besucher die Idylle. Und der bleibt nicht allein.
"Mother" wird niemanden kalt lassen. Der Film ist ebenso intelligent wie verstörend und eröffnet erst ganz allmählich seine Intention. Wenn man die einmal verstanden hat, ergibt jede einzelne Szene einen ganz neuen Sinn. Zugegeben, man muss schon einmal in der Bibel gelesen, im Reli-Unterricht aufgepasst oder einen Gottesdienst besucht haben, um dahinter zu kommen, was Regisseur Darren Aronofsky, aufgewachsen übrigens in einem jüdischen Elternhaus, eigentlich sagen möchte.
In meinen Augen hat er hier eine großartige Leistung vollbracht, mit hervorragenden Darstellern, einer interessanten Kameraführung und sparsamen, aber gezielt eingesetzten Schock-Effekten. Der Farbfilter unterstreicht die düstere Stimmung, die der Film durchweg aufweist. Sensationell: Der Film kommt gänzlich ohne Musik aus!
Wer allerdings einen Horrorthriller oder ein klasisches Psychodrama erwartet hat, wird vermutlich enttäuscht sein.
"Mother" lässt viele Interpretationsmöglichkeiten zu, doch die religiösen liegen meiner Meinung nach auf der Hand. Daher haben auch alle Figuren keinen Namen. "Er" ist der kreative Dichter, der Schöpfer (Gott), aber gleichzeitig auch Josef, der seine Frau Maria nicht anrührt. "Du f.... mich ja nie", sagt die junge Frau in einer Szene zu ihrem Gatten. (Der Verdacht keimt auf, dass Mother vielleicht die so genannte "Gottesmutter" ist, die als Maria einen Sohn zur Welt bringt). Inzwischen sind immer mehr Leute in das Haus der beiden eingedrungen. Alle Sünden, alle Laster brechen in Form von Menschen in die Idylle ein. Krieg, Mord, Habgier, Gewalt, Zerstörung, Lüge und Hass. Auch "Er", der Dichter, ist offenbar nicht frei von der Sucht nach Anerkennung seiner "Fans". Er braucht ihre Bewunderung, ihre Liebe, sie sind seine Inspiration. Nur so ist zu erklären, das er die Leute immer wieder eintreten lässt.
"In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen" heißt es bei Johannes 14:2. Was die Gäste (Menschen, Gläubige) in diesem Haus (Schöpfung, Erde) anrichten, ist kaum zu ertragen. Der Mob nimmt Besitz von der Villa, zerstört alles und bringt sich teilweise gegenseitig um.
Doch die Eindringlinge legen auch Geschenke vor die Tür, hinter der Mother sich mit ihrem in all dem Chaos gesund geborenen Kind zunächst vor der Meute versteckt hat. Das hindert diese aber nicht daran, das (ausgesprochen niedliche) Neugeborene, das "Er" ihnen entgegen Mothers Willen stolz präsentiert, kurz drauf brutal zu töten und sogar Teile von ihm zu verspeisen. (Das "Fleisch Jesu", der "Leib Christi" wird bis heute in jedem Gottesdienst symbolisch an die Gläubigen verteilt!).
Die ersten Gäste, die in das Haus eindringen, erinnern übrigens stark an Adam und Eva. Ein alternder, geschwächter, offenbar an Lungenkrebs leidender Orthopäde, der ständig nach Luft ringt (das Standessignum der Orthopäden zeigt ein Bäumchen das mit einer gewundenen Kordel an einen aufrechten Stramm gebunden ist und erinnert verblüffend an den Baum der Erkenntnis, um den sich die Schlange windet). Seine Frau (überzeugend dargestellt von Michelle Pfeiffer) ist ein egoistisches, rücksichtsloses Luder, das den kranken Mann immer wieder verführt). Man erfährt nebenbei, dass ihre Ehe ein "Paradies" war, bis die Kinder kamen. Wen wundert es da noch, dass einer ihrer Söhne den anderen erschlägt und später mit einer Wunde auf der Stirn (Kains-Mal) wieder auftaucht.
Als "Mother" den Tod ihres Kindes rächen will, wird sie beinahe wie eine Märtyrerin getötet. Doch sie kann zunächst in den Keller fliehen.
Erschafft Gott die Welt vielleicht nur um des Schöpfens willen? Oder wie sonst ist zu erklären, dass am Ende alles wieder von vorn beginnt? Mother opfert sich, entfacht ein wahres Höllenfeuer, das alles vernichtet, und wacht als "neue", junge Frau wieder auf. Nur "Er" hat sein Gesicht nicht verloren. Gott ist eben unsterblich und geht offensichtlich ganz und gar auf in seiner schöpferischen Omipotenz.. Vielleicht gibt der Film ja auch ein Stück Hoffnung in einer realen Welt, die gerade dabei ist, sich selbst zu zerstören. Dann kann man nur beten, dass eine neue Mother alles wieder hübsch herrichtet, so lange, bis die Gäste sich endlich mal vernünftig und verantwortungsvoll verhalten.