Ein Blick auf die Besetzungsliste lässt im ersten Moment großes Hollywoodkino vermuten. Doch in Trumps Amerika, das immer noch an der russischen Einmischung in den Wahlkampf zu knabbern hat, hatte offenbar niemand den Mut, einen so klar gegen die umstrittenste und meistverklärte Episode sowjetischer Geschichte gerichteten Comic wie "The Death of Stalin" zu verfilmen. Deshalb wandten sich die Produzenten - beide Franzosen - an den gebürtigen Schotten Armando Iannucci, der schon mit seiner Satireserie "Veep" die ganz große Politik wiederholt aufs Korn nahm.
Herausgekommen ist ein Film, über den man genau so viel lachen wie nachdenken kann. Ja, viele der Wortgefechte und Slapstickmomente sind hoffnungslos übertrieben, doch man kommt nicht umhin zu denken, dass es vielleicht doch so ähnlich gewesen sein könnte. Vom absurden Duckmäusertum in Stalins Umfeld, der seine Untergebenen zum lauten Mitlachen beim Genuss amerikanischer (!) Western verpflichtet bis hin zum augenblicklich einsetzenden Eigennutz, sobald der große Herrscher im Sterben liegt.
Insbesondere die politische Kehrtwende von Geheimdienstboss Beria, der seine gefürchteten Erschießungen und Verhöre kurzerhand einstellen lässt, um als Reformer und Gegner des Terrors, den er selbst begeistert ausgeführt hat, zu gelten, steht symbolisch für alles, was zum Machterhalt eben so getan wird. Mit der neu gewonnenen Freiheit kann nicht jeder umgehen, also scheint der Weg vorgezeichnet: Ein neuer Anführer muss her, ein starker Mann, der natürlich jeder des engsten Kreises um Stalin gerne sein möchte. Das pro forma demokratisch abstimmende Zentralkomitee wird doch wieder von den jeweiligen Meinungsführern gelenkt, bis jeder Beteiligte einsieht, dass er eigentlich schon immer für das war, was der neue Platzhirsch zu sagen hat.
Bündnisse werden geschmiedet, Intrigen kommen zum Vorschein, doch vor allem muss der Schein gewahrt werden. Also lässt man den stets besoffenen Stalin-Sohn Wassili eine zusammenhanglose Rede halten und beschert Stalin ein Begräbnis, das zumindest in Sachen Optik alles schlägt, was die Zarenzeit jemals hervorgebracht hat. Die Entlarvung des paranoiden Regimes findet zusätzlich zwischen den Zeilen statt, etwa wenn jede größere Menschenansammlung, und sei es nur im aufrechten Gedenken an den "Vater der Nation", als Konterrevoluton gilt und sogleich beschossen wird.
Dem spielfreudigen Ensemble bei der Arbeit zuzuschauen ist auch aufgrund der scharfzüngigen Dialoge derart unterhaltsam, dass ästhetische Unzulänglichkeiten wie Akzente oder Dekorationen zunächst nicht weiter auffallen. Die Kamera schwelgt gelegentlich in der Atmosphäre des nachzaristischen Russlands, verheimlicht aber auch nicht die finsteren Folterkeller Berias. Erst beim genaueren Hinsehen entpuppt sich mancher Bau als gefühlte Nachempfindung des frühen sozialistischen Klassizismus', doch im Grunde kommt die ohnehin gelegentlich abstrakte Satire dem Kern der Ereignisse vermutlich näher, als es jeder ambitionierte Historienstreifen jemals könnte.
Die permanenten Richtungswechsel der Machtelite, das ständige Misstrauen und die Erschaffung alternativer Fakten sind nicht nur aufgrund ihrer historischen Dimension und der bis heute gegenwärtigen Verklärung Stalins als Held des "Großen vaterländischen Kriegs" brisant. Wann immer ein Mächtiger fällt dürfte es ähnliche absurde Manöver hinter den Kulissen geben. Noch dazu ist "The Death of Stalin" weniger peinliche Möchtegern-Parodie als Seth Rogens "The Interview", sondern ein derart erschreckend treffendes Abbild vom Anfang vom Ende der Sowjetunion, dass einem das ungläubige Lachen wiederholt im Hals stecken bleibt.