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Veröffentlicht am 23. Februar 2017
Der Regisseur macht sich einen Spaß daraus, mit den Erwartungen zu spielen, die er mit dem Titel weckt. „Neruda“ ist kein klassisches Biopic über den Literatur-Nobelpreisträger von 1971, auch wenn es so beginnt. Das Publikum erlebt die Zigarettenqualm-geschwängerte Atmosphäre der Hinterzimmer der Macht in Santiago zu Beginn des Kalten Krieges.
Larraín schildert, wie Neruda etwas widerwillig sein bisheriges Leben aufgibt und in wechselnde Verstecke abtaucht. Dort arbeitete er an seinem bedeutendsten Werk „Canto General“. Der Dichter fühlt sich aber auch sichtlich geschmeichelt, dass er so bedeutend ist, dass man sich die Mühe macht, ihn mit Plakat-Kampagnen als „Verräter“ anzuprangern und ihm die Polizei mit Haftbefehl auf die Fersen schickt.
Hier kommt Gael Garcías Bernal in der Rolle des Polizei-Präfekten ins Spiel: mit sonorer Erzählerstimme begleitet er den Film. Statt des Genre-üblichen Showdowns versinkt er als recht klägliche Figur im Schnee: Der Film parodiert das Genre einer Verfolgungsjagd.
Viele kennen den Dichter Pablo Neruda vom Hören Sagen, wissen vielleicht auch, dass er Lyrik geschrieben hat, haben aber nichts davon gelesen. Jenseits der Insiderkreise wurde er erst durch den Film ‘Il Postino‘ bekannt. Jetzt hat sich Pablo Larrain des Dichterfürsten angenommen und einen Film über seine Flucht aus Chile gemacht. Die politischen Hintergründe des Landes bleiben etwas vage, außer dass man ihm vorwirft Kommunist zu sein. Larrain konzentriert sich allein auf Nerudas (Luis Gnecco) Flucht und betont dieses Katz- und Mausspiel mit einem ehrgeizigen Polizisten Oscar (G.G. Bernal). Ohne auf Vollständigkeit zu beharren, werden in die Handlung recht freizügige Szenen aus Bordellen eingeschoben sowie fiktive Dialoge zwischen Nerudas Ehefrau Delia (Mercedes Moran) und Oscar, in denen die Idee verbalisiert wird, dass sowohl er als auch sie selbst nur gedachte Figuren des Lyrikers und eigentlich unsterblich seien. Das tut der Action keinen Abbruch. Wenig ist von Nerudas Lyrik zu hören (‘ich jagte den Adler, doch ich konnte nicht fliegen‘). Manche Passagen wie die aus der Ode an das Leben klingen wie Aphorismen die sich als Gebrauchsanweisung für den Alltag eignen ‘Langsam stirbt, wer Sklave der Gewohnheit wird.‘ oder voller lyrischen Sonnenscheins ‘Emotionen, die ein Gähnen in ein Lächeln verwandeln.‘ Der Film betont die ungeheure Beliebtheit des Dichters bei seinen Landsleuten vor allem bei den Genossen der KPC und in Europa (z.B. Picasso) und macht Lust auf Nerudas Gedichte. Anspruchsvolle Unterhaltung also!