Wenn die Kritik feiert, ist das Publikum nicht automatisch dabei. Manchmal überschneidet sich beides allerdings und irgendwie fühlt sich dieser Film an, als stünde er kurz davor beide Gruppen anzusprechen. Nach dem entfärbt-dokumentarischen Look von "Love Steaks" wagt sich Regisseur Lass nun nämlich an eine eine kräftige Ästhetik und kreative Kameraarbeit, wie sie dem Kino gut stehen und der Großstadt-Atmosphäre am besten Geltung verschaffen.
Was die beiden gut gespielten Damen dort erleben ist auch gar nicht mal so uninteressant, denn hier werden Milieus tangiert, mit denen der Durchschnittszuschauer vermutlich seltener in Berührung kommt. Da werden noch nicht einmal Pauschalurteile über Macho-Polizisten, gewaltbereite Jugendliche, abgehobene Galeristen, linke Dauerkiffer oder grobe Security-Typen gefällt, obwohl alle diese Gruppen im Film vertreten sind. Vielmehr deutet sich an, dass vor allem Tiger ein echtes Original mit begründeter Vorgeschichte ist (wohnhaft in einem alten Reisebus), für dessen Lebensweise Vanilla sich zusätzlich begeistern kann.
Unangenehm wird es dann, wenn Tigers Auf-die-Fresse-Attitüde ungefiltert auf Vanilla abfärbt und vollkommen unhinterfragt im Raum stehen bleibt. Gegen die Gemeinheiten des Lebens wehrt man sich zwar, allerdings grundsätzlich mit den selben Mitteln wie die Leute, die man nicht leiden kann. An einer Stelle, nach etwa zwei Dritteln des Films, deutet sich kurz an, dass der ganze planlose Spaß auch Konsequenzen haben kann, bevor es dann aber doch wieder in Richtung gemeinsamer Krawall geht.
Als wohlmeinender Kritiker deutet man natürlich Gesellschaftskritik (hier mehr quengelig als rotzig), Lebensfreude, unterdrückte Freiheitsideale und dergleichen mehr in den Film hinein, diese Ebene wird aber vermutlich bei weitem nicht jedem offenbart. Dummerweise ist "Tiger Girl" genau die Sorte Film, die wohlmeinende Pädagogen an Wandertagen gerne ihren Schulklassen zeigen, weil er ja so authentisch wirkt. Da freut sich der Primus still über den intelligenten Subtext, während anderen das Geschehen womöglich als Vorbild dient.
An der Oberfläche wird nämlich vor allem eins vermittelt: Auf Dinge und Menschen einzuprügeln ist legitim, vor allem dann wenn einem "die anderen" (wer auch immer das gerade ist) was getan haben. Denn irgendwie ist es schon ganz geil und stylisch mit dem Baseballschläger in den Krieg gegen die gefühlte Spießigkeit der Welt zu ziehen und dabei mal so richtig die Sau rauszulassen. Vermutlich sollten die beiden Hauptfiguren nach dem Plan der fünf (!) Drehbuchautoren nur beobachtet und dem Zuschauer das finale Urteil überlassen werden, letztendlich ist der Film aufgrund seiner Begeisterung für die Taten der beiden Heldinnen trotzdem parteiisch. Und hinterlässt damit einen unschönen Nachgeschmack.