Ein ambivalentes Filmerlebnis. Über schlechte Darsteller oder mangelnden Erzählfluss muss sich niemand beschweren. Jackie Chan sieht man sein Alter erstmals an, auch wenn sicher an der einen oder anderen Stelle künstlich nachgeholfen wurde. Seit längerem ist Chan einmal nicht nur als besserer Stuntman und Comedian, sondern in erster Linie tatsächlich als Schauspieler gefragt. Eine Leistung, die 64-Jährige mit Bravour meistert. So besteht er auch gegenüber dem solide aufspielenden Pierce Brosnan, der sich offenbar in seiner Rolle als undurchschaubarer Politiker gefällt.
Auch das übrige Personal trägt seinen Teil zum Gelingen des Films bei, allen voran Martin Campbell, der das James-Bond-Universum nicht grundlos schon zweimal neu starten durfte. In den besten Momenten ist "The Foreigner" ein spannender Thriller über einen Rachefeldzug, der entfernt an Liam Neesons Alleingänge in der "Taken"-Reihe erinnert. Darüber hinaus soll aber auch noch ein politischer Konflikt Beachtung finden, in den Polizei, Minister, Terroristen und zwielichtige Kräfte aus der Unterwelt verwickelt sind.
Hinter den Kulissen von Minister Hennessys Familie gibt es zusätzlich Affären und Intrigen à la "Game of Thrones" zu bestaunen, glaubwürdig ist davon jedoch längst nicht alles. Alles Patriarch, der nur scheinbar weiß, was um ihn herum geschieht überzeugt Brosnan zwar meistens, seine Leistungen eliminieren aber noch lange nicht die Schwächen des Drehbuchs. Denn Quan, anfangs eindeutig zur Hauptfigur aufgebaut, verschwindet im Mittelteil allzu oft für längere Zeit aus der Handlung und taucht erst dann wieder auf, wenn alles zu undurchsichtig zu werden droht.
Jackie Chans Szenen glänzen natürlich mit diversen Martial-Arts-Choreografien, denen niemand etwas vormacht. Außerdem macht es eine Menge Spaß, dem Ex-Vietcong-Kämpfer Quang bei der Umsetzung seiner kreativen Pläne zuzuschauen, die unter anderem auf das Repertoire diverser Haushaltsgegenstände zurückgreifen. Es dürfte kein großer Spoiler sein, dass er am Ende seiner Rache bekommt, auch wenn er damit moralisch keineswegs besser dasteht als die Attentäter, die seine Tochter auf dem Gewissen haben.
Und da fängt das "Gschmäckle" an: Vorspann und IMDb klären uns darüber auf, dass der Film hauptsächlich von chinesischen Investoren produziert wurde. Klar, wenn Hongkongs größter Star mitspielt, dann will man das in dessen Heimat gut vermarkten. Das Bild, das dortige Zuschauer vom Westen bekommen müssen, scheint allerdings bewusst eine Art dystopischer Gegenentwurf zu dem zu sein, was es in China offiziell natürlich keinesfalls geben kann: Korruption, Polizeigewalt, Terrorismus, Intrigen bis in die höchsten Kreise und traumatisierte Kriegsflüchtlinge, die Schlimmes erdulden müssen und dann auch noch vom System korrumpiert werden.
Ob Stephen Leathers Romanvorlage "The Chinaman" das alles wirklich hergibt, ist fraglich. Der mittlerweile in Irland lebende Autor dürfte der irischen Seite noch etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet haben, im Film handelt es sich offenbar bei sämtlichen Nordiren oder Bewohnern der Republik Irland um Terroristen oder zumindest Sympathisanten der IRA und ihrer Methoden.