Bibi und Tina - Mädchen gegen Jungs wirkt zunächst wie das optimale Kinovergnügen für den Geburtstagsausflug mit der Nichte. FSK 0 als Altersfreigabe lässt eine unschuldige Zeltlager-Geschichte erwarten, dass ein bisschen geknutscht werden wird, war ebenfalls zu erwarten. Ein buntes, quietschfideles Popmusical-Märchen wurde versprochen. Nun ja. Bunt und Popmusical stimmt. Der Film ist eine pädagogische Katastrophe und ein Schlag ins Gesicht der Emanzipation. Ich bin weit entfernt von Gender-Mainstreaming, aber dieser Film zeigt sehr deutlich, warum wir als Gesellschaft genau das viel gehasste "gendern" dringend brauchen.
Der Film beginnt mit einem Rugbyspiel, die Mädchen sind ganz klischeehaft Cheerleader, erstmal spielen dürfen nur die Jungs. Beherzt steigt Bibi als Ersatzspielerin ein, macht natürlich ein paar Punkte und bekommt - natürlich - Ärger, weil ein Mädchen sicher nur Punkte machen kann, wenn sie gehext hat. Herzlichen Glückwunsch, die ersten 7 Rollenklischees werden in den ersten 10 Minuten also schon mal gefestigt.
Offensichtlich sind Bibis Hexenkräfte für den Film auch eher lästig, denn relevant. Die wenigen Male, die Bibi aus sinnvollen Gründen zaubert, werden ihr als Betrug ausgelegt. Missbraucht Bibi ihre Kräfte aber, geschieht gar nichts. Was unverzeihlich sein sollte - einem anderen Menschen Gewalt zuzufügen - passiert eben mal so, ohne irgendeine Konsequenz. Als Bibi in größter Not dann nicht mehr hexen kann, reagiert die Erwachsenenwelt gereizt, a la: "Na super, du bist echt zu gar nichts zu gebrauchen!" Dadurch wird der Gemeinschaftsverband, den die Szene hätte transportieren sollen ad absurdum geführt. "Was du alleine nicht schaffst, schaffen wir zusammen, weil die doofe Hexe eh nix kann!"
Der Film transportiert generell ein Bild von Jugendlichen, dass ich unmöglich finde. Alle Mädchen sind über schminkt und haben völlig überfärbte Haare. Die drei Mädchen, die nicht diesem Klischee entsprechen werden direkt als lächerliche, unattraktive Streber portraitiert. Ja, bei 3 der Mädchen sind MakeUp und Co als Überspitzung gemeint - die "normalen" Mädchen, Bibi und Tina sind aber nicht besser. Schweissüberströmt, schmutzig, Ausschnitt bis zum Bauchnabel und schmachtend geöffnete Lippen wären in einem Softporno besser aufgehoben, als in einem Kinderfilm.
Was soll ein pubertierenden Kind also aus diesem Film lernen? Dass ein Drogentrip total lustig ist, die Welt auf DrogeTechnicolor bunt und super und es überhaupt total "funky" und cool ist, auf Droge zu sein, vielleicht. Oder dass Mädchen keine Mathematik können müssen. Das Gewalt OK ist. Denn so die wie Bibis hexerische Gewalt ungeahndet bleibt, bleibt auch die sexuelle Gewalt gegen Bibi ungesühnt. Tatsächlich führt der aufgezwungene Kuss am Ende des Films zu einer Massenknutscherei. Teenager fallen enthemmt über einander her und Knutschen bis sich die Balken biegen. Auch die unschuldige, dicke Pfadfinderin findet ihr Männchen, den halbstarken Jungmotorradfahrer, an dessen Schoss sie bei den Löscharbeiten eines Brandes lasziv ihr Hinterteil reibt.
Ich könnte noch sehr viel schreiben. Über die unsäglichen Darstellung der Familie Falkenstein. Ich könnte fragen, was Alkoholmissbrauch in einem Kinderfilm zu suchen hat. Ich könnte mich wundern, dass die "Traummänner" im Film entweder überkandidelte, halb schwule, superprivilegierte Jungs (Alex), oder halbidiotische, proletenhafte Machos (Alex Bruder, Urs) sein müssen, die begeisterten, draussen spielenden, intelligenten Jungs aber als uncoole Nerds dargestellt werden müssen.
Ja, der Film hatte lustige Szenen. Ja, Choreografie und Darbietung des Titelsongs war super. Das ändert nichts daran, dass der Film kein liebevoll-witziges Märchen über eine pubertierende Hexe ist, sondern eine Aneinanderreihung von menschenverachtenden Botschaften, die ganz sicher nicht sinnvoll für Kinder und Jugendliche sind.