Wenn Schauspieler Regisseure werden, dann haben sie einen entscheidenden Vorteil: sie wissen normalerweise, wie ihre Kollegen vor der Kamera ticken. Da können dann so präzise beobachtete Meisterwerke wie Clint Eastwoods Million Dollar Baby oder Ryan Goslings gemischt aufgenommener Arthousestreifen Lost River herauskommen. Nun hat es also auch Joel Edgerton auf den Regiestuhl verschlagen.
Sein Debüt erzählt die Geschichte des Ehepaars Robyn und Simon (Rebecca Hall und Jason Bateman), das in einen Vorort zieht, in dem Simon einst aufgewachsen ist. Das Haus ist schön, die Nachbarn sympathisch und der Job ertragreich. Eines Tages treffen sie auf Simons ehemaligen Schulkameraden Gordo (Joel Edgerton), der sie prompt mit einem Einzugsgeschenk überrascht. Doch es bleibt nicht dabei. Gordo taucht immer häufiger bei ihnen auf, besonders wenn Robyn alleine zu Hause ist. Bald wird klar, dass seine Besuche und die immer regelmäßigeren Geschenke kein Zufall sind. Und es bleibt nicht dabei. Eines Tages verschwindet der Hund, später werden Fische im Teich vergiftet und Drohbotschaften tauchen auf. Robyn will der Sache auf den Grund gehen und stößt dabei auf ein Geheimnis aus Simons Vergangenheit, über das niemand gerne reden möchte.
Eine Grundlage, die schon oft verwendet wurde. Der als Kind stets gemobbte Außenseiter rächt sich später an seinen Peinigern, wenn es sich denn lohnt. Irgendwie schafft es der Regiedebütant und Darsteller Edgerton trotzdem, dieser auf den ersten Blick banalen Geschichte deutlich mehr abzugewinnen. Vermutlich ist es seine genaue Führung der Schauspieler und deren Erfahrung, die hier passgenau ineinanderfließen. Die von Gordo ausgehende Bedrohung wird langsam aber stetig aufgebaut, dann allerdings wieder derart in Frage gestellt, dass man sich plötzlich gar nicht mehr so sicher ist, wer hier der eigentliche Bösewicht sein soll. Diese Ambivalenz wird weitestgehend bis zum Ende durchgehalten und gibt dem Film schließlich mehr als eine überraschende Wendung.
Die Wahl der Darsteller wirkt im Trailer erst einmal ganz solide. Auf der Leinwand entfaltet sich aber noch mehr. Vor allem der hierzulande eher aus turbulenten Komödien wie Kill the Boss bekannte Jason Bateman hat mehr zu bieten, als seine bisherigen Filme andeuten. Sein Charakter offenbart mit dem Fortschreiten der Handlung immer finsterere Seiten, die durchaus überzeugend vermittelt werden. Rebecca Halls Robyn pendelt irgendwo zwischen Unschuld und Melancholie, wobei sie erkennbar ihre eigenen Lasten mit sich herumschleppt. Ihr unerfüllter Kinderwunsch wirkt zunächst ein bisschen obligatorisch, wird aber für die Handlung unverzichtbar. Und was der eingangs erwähnte Meister Eastwood schon geschafft hat, nämlich in seinem eigenen Regieprojekt auch noch eine anspruchsvolle Rolle selbst zu spielen, gelingt Edgerton ebenfalls. Der von ihm verkörperte Gordo wirkt von Anfang an nicht unbedingt wie der typische Gegenspieler mit Lust auf Terror. Er hat durchaus seine Motive und man wird ihn möglicherweise noch sympathisch finden.
Zwar sind die Zutaten eigentlich samt und sonders Standardelemente des klassischen Thrillers, das Spannungslevel wird dennoch durchweg hoch gehalten. Es gibt immer wieder erschreckende Momente und schockierende Szenen, die den Zuschauer ganz ohne Blutspritzer und ähnliche Grausamkeiten hautnah an der allgegenwärtigen Angst teilhaben lassen, die vor allem Robyn zu spüren bekommt. Wenn man dann erstmal soweit ist, trotzdem mit dem scheinbaren Antagonisten Mitleid zu haben, dann wird klar, dass sich Mr Edgerton mit diesem Film noch für weitere Projekte mit ähnlichem Potential empfiehlt.
Darsteller: Rebecca Hall, Jason Bateman, Joel Edgerton
Regie: Joel Edgerton
Jahr: 2015
Verleih: Paramount Pictures
Laufzeit: 108 min
FSK: ab 12 Jahren