Zwei Soldaten wachen in einem Raum auf. Einer von ihnen ist Christ, der andere Mohammedaner. Beide sind an Händen und Füßen angekettet und gehen gemeinsam der Frage nach, wie sie in diesen Raum gekommen sind …
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Slavko Spionjaks preisgekrönter Kurzfilm fängt an wie “Saw” und endet wie eine Folge der Mystery-Serie “Twin Peaks”. Und dazwischen liegt ein ambitioniertes Stück voller Kritik an der Menschheit und Kriegsbewältigung a la “Birdy”.
Spionjak ist ein kleines Meisterwerk gelungen, das durchaus die doppelte Länge haben könnte, so gewaltig ist die Sogkraft, die hinter der Geschichte steckt. Was der Regisseur in eine Dreiviertelstunde verpackt hat, ist enorm. Tobias Licht und Burak Akkoyun liefern eine grandiose Zweimann-Show ab, die sich auf beeindruckende Weise ins Gedächtnis brennt.
“Zwischen den Linien” lässt sich schwer in Worte fassen. Und, wie oben bereits erwähnt, komme ich nicht umhin, immer wieder Vergleiche mit “Twin Peaks” zu ziehen. Denn genau diese Art von Mystery-Touch hat Spionjak in seine Parabel über Krieg und unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen geschickt eingebaut.
Es ist eine wahre Freude, den beiden Protagonisten zuzusehen, wie sie sich gegenseitig beleidigen, die Lebensart des anderen schlecht machen und dabei ganz aus den Augen verlieren, dass sie letztendlich beide an das Gleiche glauben. Darstellerisch hat mich Burak Akkoyun sogar noch ein klein wenig mehr begeistert als Tobias Licht, aber im Grunde genommen leisten beide hervorragende Arbeit. Nic Mussels Kameraführung und seine oftmals künstlerisch wirkenden Einstellungen machen den Kurzfilm zu einem visuellen Augenschmaus, der durch die hervorragende Musik Trevor Colemans noch zusätzlich unterstrichen wird.
Die Emotionen, die dieser Kurzfilm hervorruft, gehen über Wut, Ungerechtigkeit, Hilflosigkeit, Angst bis hin zu Hoffnung. Wie aus einer fanatischen Rivalität zweier Kriegsgegner fast schon Freundschaft wird, ist unglaublich intensiv und vor allem glaubhaft dargestellt. Ich bin so begeistert von “Zwischen den Linien”, dass ich ihn sofort wieder ansehen könnte. ;)
Das Trio Slavko, Slavica Spionjak und Rita Fichtl-Spionjak hat einen wirklich beeindruckenden Film erschaffen, der handwerklich perfekt ist und zu Recht internationale Preise eingeheimst hat. Wer mit solchen Ambitionen und handwerklichem Können Filme macht, verdient eindeutig mehr Aufmerksamkeit.
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Fazit: Beeindruckendes Kriegs-Antikriegs-Mystery-Drama, das nachhaltig in Erinnerung bleibt. Großes Kino mit kleinem Geld gemacht. Mehr davon!
© 2015 Wolfgang Brunner