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    Tatort: Der Maulwurf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Der Maulwurf
    Von Lars-Christian Daniels

    Selten ging ein „Tatort“-Einstand so in die Hose wie der von Friedrich Mücke, Benjamin Kramme und Alina Levshin im November 2013: Die Pressestimmen zum gezielt auf die Jugend zugeschnittenen „Tatort: Kalter Engel“ fielen vernichtend aus, und auch der Großteil der Zuschauer konnte mit dem Versuch, der Krimireihe in Erfurt einen hippen Anstrich zu verleihen, wenig anfangen. Filmemacher Thomas Bohn nötigte die jungen „Tatort“-Kommissare im Minutentakt zu nervtötenden Anglizismen und ließ sie gleich literweise Energydrinks schlürfen. Als in den Tagen nach der Erstausstrahlung des Films auch noch MDR-Redakteurin Meike Götz einem Interview mit dem Medienmagazin Der Freitag wegen angeblich tendenziöser Fragen die Freigabe verweigerte, war der Skandal perfekt und der Kurswechsel für den „Tatort“ aus Thüringen fast unvermeidbar - angeblich landete ein bereits fertiges Drehbuch für den zweiten Fall direkt im Papierkorb. Der Sender engagierte stattdessen den vielfach krimierprobten Regisseur Johannes Grieser und die erfahrenen Autoren Leo P. Ard und Michael B. Müller, die im „Tatort: Der Maulwurf“ zwei Gänge zurückschalten: Der zweite Auftritt des jüngsten „Tatort“-Teams aller Zeiten fällt deutlich bodenständiger aus als der Vorgänger, ist aber ebenfalls kein überzeugender Krimi.

    Dem wegen Totschlags und Menschenhandels verurteilten Rotlichtkönig Timo Lemke (Werner Daehn) wird genehmigt, an der Beerdigung seines Vaters teilzunehmen. Obwohl der Kriminelle nur noch wenige Monate in Haft zu verbüßen hat, nutzt er die Gelegenheit auf dem Friedhof zur Flucht und erschießt dabei einen Polizisten. Während die Kommissare Henry Funck (Friedrich Mücke), Maik Schaffert (Benjamin Kramme) und Johanna Grewel (Alina Levshin) fieberhaft nach Lemke fahnden, wird ihre Chefin, Kriminaldirektorin Petra Fritzenberger (Kirsten Block), von einem Unbekannten entführt. Zwischen den Taten scheint es einen Zusammenhang zu geben: „Fritze“ brachte Lemke damals zusammen mit dem später an die Meininger Polizeihochschule abgewanderten Kriminaldirektor Volker Römhild (Christian Redl) hinter Gitter. Ist der ehemalige Lehrer von Schaffert und Grewel, der nach Erfurt zurückgekehrt ist, nun ebenfalls in Gefahr? Römhilds Ex-Kollege Ingo Konzack (Oliver Stokowski) scheint mehr über die Hintergründe der Tat zu wissen, gibt sich bei der Befragung aber verschlossen. Kurz darauf findet man Lemkes Leiche – und Fritzenbergers Befreiung rückt in weite Ferne...

    Wir alle machen Fehler. Wichtig ist, daraus zu lernen“, philosophiert Hauptkommissar Funck am Ende des Films – und diese platte Binsenweisheit gilt pikanterweise auch für den „Tatort“ aus Erfurt. Nach der Bruchlandung mit „Tatort: Kalter Engel“ nimmt der MDR eine deutliche Kurskorrektur vor: Der pseudo-coole Jugendslang der Kommissare ist plötzlich Geschichte, und Energydrinks sucht man im „Tatort: Der Maulwurf“ ebenso vergeblich wie Fanutensilien von Rot-Weiß Erfurt, mit denen dem schwachen Vorgänger vergeblich Lokalkolorit eingeprügelt werden sollte. Zudem agieren die Ermittler ab sofort auf Augenhöhe: Statt als besserwisserische Polizei-Praktikantin zu nerven, schaltet sich die zur Kommissarin beförderte Johanna Grewel nun nach Kräften in die Ermittlungen ein. Anders als in vielen anderen Folgen steht der Mörder im 926. „Tatort“ von Beginn an fest: Die vielfach krimierprobten Drehbuchautoren Leo P. Ard und Michael B. Müller verzichten auf das Whodunit-Prinzip, so dass das Geschehen vor allem von der Suche nach dem entflohenen Häftling vorangetrieben wird. Die einleitende Beerdigungssequenz und Lemkes anschließende Flucht wirken authentisch und sind sehr spannend  - nach diesem starken Auftakt fällt die Spannungskurve jedoch steil ab.

    Bald verfallen die Filmemacher und auch die Schauspieler wieder in jene  Strickmuster, die bereits dem ersten Erfurter „Tatort“ das Genick brachen. Die Dialoge wirken aufgesagt und steif, die Jugend der Kommissare behauptet und ihre Blicke gekünstelt und einstudiert. Während Alina Levshin („Kriegerin“) in fast allen Szenen mimisch zu dick aufträgt, wirkt Benjamin Kramme („13 Semester“) bei den Nachforschungen in einem taghell ausgeleuchteten Strip-Schuppen (in dem vor Einbruch der Dunkelheit bemerkenswerter Andrang herrscht) wie ein schüchterner Teenager vorm Tittenheft-Regal. Auch Friedrich Mücke („Russendisko“) kauft man den betont versiert agierenden Teamleiter nur bedingt ab. In vielen Szenen wirkt das junge „Tatort“-Trio eher neugierig und bemüht als menschlich echt – daran ändert auch ein spontaner Wutausbruch Schafferts nichts, der den Kopf eines Verdächtigen ohne Vorwarnung auf die Tischplatte knallt. Wer sich einen Spaß machen möchte, sollte einfach mal zählen, wie oft die Kommissare nach einer neuen Erkenntnis nachdenklich vor sich auf den Boden blicken – das Dutzend ist schon nach einer guten halben Stunde voll.

    Immerhin: Zumindest über Funcks Privatleben erfährt das Publikum etwas, womit bei der weiteren Figurenentwicklung gearbeitet werden kann. Während der alleinerziehende Vater seine Tochter Claire (Maja Reinhardt) von der Schule abholt und sich an seine unglücklich liierte Nachbarin (Eva Meckbach) herantastet, wird der Feierabend seiner Kollegen Schaffert und Grewel konsequent ausgespart. Die bereits im ersten Fall blass gebliebene Erfurter Chefin „Fritze“ (Kirsten Block, „Die Bücherdiebin“) gibt in den Dialogen mit dem Entführer ihre Vergangenheit preis, stellt zartbesaitete Zuschauer bei diesen düsteren Kellerszenen aber auf die Probe: Auch wenn die psychische Gewalt – anders als zum Beispiel im Kölner „Tatort: Franziska“, der erst um 22 Uhr gesendet werden durfte – im Rahmen bleibt, gilt es hier einige brutale Szenen zu überstehen. Auch in Sachen Action muss sich der zweite Erfurter „Tatort“ dank mehrerer SEK-Einsätze nicht verstecken – enttäuschend fällt aber die Auflösung aus, weil eine Nebenrolle mal wieder deutlich prominenter besetzt ist als die anderen. So steht unter dem Strich ein vorhersehbarer, stets bemüht wirkender Sonntagabendkrimi, bei dem die Drehbuchautoren auf Nummer Sicher gehen und die üblichen „Tatort“-Versatzstücke uninspiriert aneinanderreihen.

    Fazit: Johannes Griesers „Tatort: Der Maulwurf“ bietet deutlich weniger Angriffsfläche als der desaströse erste Fall aus Erfurt – das ergibt unter dem Strich zwar einen etwas besseren, aber noch lange keinen überzeugenden Krimi.

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