"The Neon Demon" von Nicolas Winding Refn ist wie zu erwarten ein merkwürdiger Film. Allerdings war er - anders als ich persönlich erwartet hatte - nicht unerträglich schlimm. (Bevor jemand fragt, warum ich überhaupt einen Film gucke, von dem ich erwarte, dass er unerträglich schlimm sei: ich habe eine Kino-Abokarte) Ich hätte gedacht, da wird man mit eitlem, egomanischem, affektiertem, selbsverliebtem Kunstquatsch gequält und muss dann aber hinterher so tun, als hätte man's gut gefunden und "auf einer anderen Ebene als der rationalen rezipiert" und sich hochtrabende intellektualisierte Interpretationen aus den Fingern saugen, damit man nicht als kunstbanausiger Vollidiot dasteht. Aber ich war überrascht, es gab sogar ansatzweise eine Story, der man folgen konnte und ab und zu blitzten ein paar satirische, ironische Momente auf, die dem streng ästhetisch durchkomponierten Werk einen Hauch von Humor verliehen und das Ganze etwas auflockerten.
Als Satire auf die Oberflächlichkeit, Gefühlskälte, Neid und Missgunst in unserer Gesellschaft im Allgemeinen sowie in der Modebranche im Besonderen funktionierte das ganz gut, wie eine Alptraumversion von "Ein süßer Fratz" mit Audrey Hepburn. Allerdings ist das als Moral von der Geschicht' nicht sonderlich innovativ und überraschen - da braucht man nur mal kurz bei Heidi Klums GNTM reinzuzappen und dann hat man auch ein prima Bild von der Oberflächlichkeit unserer Gesellschaft und der Modebranche. Im direkten Vergleich aber ist natürlich "The Neon Demon" wenn schon nicht von der Botschaft her, dann doch von der künstlerischen, handwerklichen, narrativen, intellektuellen und ästhetischen Sicht her GNTM weit voraus. Denn gut gemacht ist der Film auf jeden Fall und auf einem künstlerisch und ästhetisch hohen Niveau ebenfalls. Und auch die narrative Struktur ist interessant und bietet Medien- und Literaturstudenten, Erzähltheoretikern und Cineasten viel Stoff zum Analysieren.
Fazit: Entgegen meiner Absicht bin ich fast gar nicht eingeschlafen (nur zwischendurch ganz kurz), das nehme ich als positives Zeichen. Der Film ist schräg, seltsam und sperrig, dafür dann aber noch erträglich genug, um ihn sich anschauen zu können. Wer Lust auf brilliante Ästhetik und Gehirngeschwurbel hat, ist hier bestens aufgehoben.