Nicolas Winding Refn, 2011 in Cannes als bester Regisseur für „Drive“ ausgezeichnet, hat sich an einem Thriller, der in der Model-Branche spielt, versucht.
Mit ihren süßen 16 erscheint die schüchterne Jesse (Elle Fanning) in LA, erregt Aufsehen bei den Model-Machern und extremen Neid bei den gestandenen Models. Als Freundin gewinnt sie die Make up Artistin Ruby (Jena Malone).
Wer kennt nicht das Klischee von den dürren, langen Models, die hungern und vor Falten, Pickeln und Konkurrenz Angst haben?! Auf ins Horror-Genre: Wer nach GNTM nicht genug hat, wird von NWR aufs Beste bedient, und sogar blutiger.
Der Neon Demon erfasst Jesse. Plötzlich ist das scheue Reh zur Diva mutiert, quasi per Schalter. Und fertig ist die Suggestion, nach der auch die nettesten Mädelmodels blöd sind oder sehr schnell werden. Nein, das wird nicht suggeriert, denn der Kinogänger bemerkt sofort: eine solche Charaktermutation kann eigentlich nicht passieren, ...hm?! Das gehört zur künstlerischen Freiheit, die sich der dänische Regisseur nimmt. Sie wirkt sich auf das ganze Werk aus, denn alles von Lifestyle-Design bis zum Verhalten der Figuren ist grotesk; die damit ermöglichte gute Unterhaltung überblendet allerdings nicht die äußerst dünne Story aus viel Neid und wenig Liebe. Der Synthie-Score von Cliff Martinez gesellt sich gut zu allem Bizarren, hätte aber mehr sein dürfen und wirkt trotzdem zeitweise deplatziert.
Nicht schlecht: die in der Model-Sphäre verhafteten Rollen sind überzeichnet, die außenstehenden gewöhnlich ausgeprägt, die Protagonistin dazwischen. Hank (Keanu Reeves) als abgefuckter Hausmeister scheint „normal“ zu sein, der Anker des Dämons in der realen Welt, somit am düsteren Ufer der Menschheit angesiedelt mit Interesse an jungen, wehrlosen Frauen. Dann gibt es noch den uninfizierten Dean (Karl Glusman), der Hobbyfotograf mit den Blumen für Jesse. Sein Treffen mit dem Fashion-Designer (stark: Alessandro Nivola) ist ein wohlgezielter, aber lakonisch herausgestellter Reibungspunkt der Welten.
Oft steht und fällt ein Filmprojekt mit der Auswahl der Hauptdarsteller. Das beste Drehbuch kann mit einem schlechten Akteur zunichte gespielt werden. Andersherum können die Superstars der Leinwand mit glänzenden Leistungen einige Ungereimtheiten glattbügeln und das Niveau anheben. Nun, das von NWR selbstverfasste Drehbuch für „The Neon Demon“ ist sicherlich nicht das beste. Elle Fanning ist hübsch und kann schauspielern. Jesse sieht aus wie ein Engel, zu spezifisch, ist lieb, dann vom Model-Dämon angesteckt, rüde und später wieder zittrig. Wie hätte Fanning - für das Publikum verständlich - darstellen können, dass Jesse so viel umwerfender ist als die anderen gestylten Catwalkerinnen?? Alles auf das verzerrte Empfinden der Casting-Jury zu schieben, ist zu einfach. In „Sucker Punch“ von Zack Snyder muss Babydoll (Emily Browning) tanzen und verzaubert ihre Umwelt. Die Zuschauer vor der Leinwand können die Performance nicht sehen und werden in Neugierde versetzt (wobei das Konzept letztendlich wegen zu viel und zu lange nicht aufgeht). Vielleicht hätte NWR zur Fantasieanregung neben der schon erfolgten Sinnesreizung Jesse nicht zeigen sollen. Unmöglich? Beim Film geht doch alles, oder?! Schauspielerischen Glanz bringt Jena Malone mit ihrer konsequent ambivalent entwickelten Ruby.
In „The Neon Demon“ steckt mehr Kreativität als man auf den ersten Blick glaubt. Unterm Strich hat die Komposition von Nicolas Winding Refn bei einigen ansehnlichen Passagen jedoch weder Fülle noch Linie.