24.04.2019 – für die meisten Kinofans ein Datum mit hoher Bedeutung. Starttermin von „Avengers:Endgame“. So auch für mich, nachdem ich den „Infinity War“ verschlungen habe und auch insgesamt für den bis dato besten aller MCU Filme gehalten habe.
Jetzt ist der Zauber irgendwie vorbei und man fühlt sich wie am ersten Arbeitstag nach dem Weihnachtsurlaub. Insgesamt hat alles bzgl. den beiden letzten Avengers-Teilen viel mit dem Gefühl der hohen Erwartungen zu tun. Infinity War hat für mich alles gehabt was eine Comicverfilmung großartig macht, inklusive einem Antagonisten, der vermeintlich aus dem Schatten der Zweidimensionalität tritt und einem fiesen „Imperium schlägt zurück“-Ende.
Das hier mit dem letzten Teil der Infinity Stone- Geschichte(„Spiderman Far from home“ mal außen vor) alles auf ein gewaltiges und erzählerisch komplettes Ende zuläuft, war vorher klar. Das die Russos, eben diesen Erzählstrang, der sich über die Jahre zu einem roten Faden zusammengezwirbelt hat, zu einem verdienten und sauberen Ende bringen grenzt schon an ein Kunstwerk.
Allerdings finde ich in diesem Kunstwerk ein paar kleinere Fehler, die ob der hohen Qualität von Avengers 3 und 4 leider fast noch mehr stören, als in einem „Durchschnittsfilm“.
Aber von vorn. Wie immer starten wir mit Technik, welche vom CGI über Kameraführung, Setdesign und Schnitt außergewöhnlich gut ist. Auch wenn die nächsten Oscars noch weit weg sind, ist der Academy Award für die besten Tricks eigentlich gebucht. Als Chefkamera-Mann hat sich Trent Opaloch im Bezug der Mainstream Produktionen seit „District 9“ immer weiterentwickelt und hier wirklich denkwürdige Einstellungen auf die Leinwand gezaubert. Für mich am stärksten eingefangen, der Moment als die 3 „Ur-Avengers“ dem wartenden Thanos entgegentreten. Das hat was von alten Duelleinstellungen in einem Western.
Die bereits 2004 für den Überhammer-Pferdefilm-Klassiker „Seabiscuit“ Oscar nominierte Leslie Ann Pope, macht im Setdesign ebenfalls seit Infinity War einen guten Job. Einzig das Schlachtfeld für den finalen Clash, schaut gefühlt bereits VOR der eigentlichen Schlacht aus, als ob Smaug eine Sauerstoffallergie hatte.
Chef-Cutter Ford hat auch alles im Griff, insbesondere die Zeit/Ort-Sprünge sind sehr gut aufeinander abgestimmt und in keiner neuen Einstellung verwirrend (zumindest für Leute die zumindest 80% der MCU Filme gesehen haben).
Die Musik von Silvestri ist eine Bank, allerdings auch nicht wirklich eine Kunst, denn das Avengers Theme hat sich mittlerweile in die Synapsen der Popkultur gebrannt. (Wobei es halt ursprünglich auch mal von Silvestri kam, also doch wieder „gut gemacht, kleiner Alan“.) Die kleinen musikalischen Ausflüge in vorherige MCU Filme, machen die Atmosphäre, gerade im Mittelteil des Films, rund.
Die Regisseure haben eine Mammutaufgabe gestemmt! Was sollen zwei Jungs die vor dem MCU bereits so Genreperlen wie „Ich , Du und der andere“ gedreht haben schon falsch machen können (Sarkasmus Ende). Aber das Vertrauen in das Können von aufstrebenden und /oder wenig bekannten bis unbekannten Regisseuren hat sich für die Produktionsabteilung um Kevin Feige bisher fast immer ausgezahlt (der arme Alan Taylor hat mit Thor 2 den wahrscheinlich schwächsten Film des MCU aufgebrummt bekommen, da konnte er dann wohl auch nichts mehr dran ändern.). So auch hier! Die Russo Brüder, haben seit 2014 (The Winter Soldier) beim MCU Regie-Zügel in der Hand, unter anderem auch bei der großen Civil War Helden-Klopperei. Gerade „Civil War“ hat hier wohl Überzeugungsarbeit geleistet, dass nicht Whedon die letzten beiden Avengers Teile übernimmt. Im Zusammenspiel mit den Drehbuchautoren McFeely und Markus, haben die Russos eine über 21 Filme vorbereitete Geschichte zu einem famosen Ende geführt. Handwerklich kann man einfach nichts Schlechtes an beiden Filmen finden. Wobei man auch erwähnen muss, dass die Russos hier auch Blockbuster-Kino par excellence produzieren. Keine Experimente, kein schwarz-weiß, kein Schnick-Schnack….braucht es aber auch nicht und wäre wohl auch fehl am Platz gewesen.
Das Drehbuch ist über beide Filme gesehen klasse. Einzig die Figur der Captain Marvel funktioniert nicht in der Synergie der Avengers. Ein Beispiel vom Anfang des Films, während sich alle der auftretenden Figuren bereits über Jahre kennen, ist die Einzige, die vor 20 Minuten noch gar nicht wirklich präsent war im Avenger Universum, plötzlich die omnipotente Klassenstreberin und alle folgen Ihren Anweisungen.
Jetzt könnte man argumentieren, dass hier doch „5 Jahre später“ geschrieben stand.
Dennoch stellt sich Mrs. Denvers nach reellen 20 Minuten Filmzeit als Mutti der Galaxie hin und wird dadurch für den Zuschauer seltsam unsympathisch ausgearbeitet. Niemand mag Klugscheißer…(das weiß niemand besser als ich.) Auch im weiteren Verlauf, ist die übermächtige Captain Marvel im Film komplett obsolet.
Warum versucht man eine so mächtige Figur nicht wenigstens zu kontaktieren wenn man einen Plan hat wie man alles rückgängig machen kann und warum vermöbelt Sie einen Thanos ohne einen Infinity Stein nicht allein?
(Diese Frage könnte man übrigens auch Thor stellen…). Was tatsächlich sauer aufstößt, ist die zwanghaft, künstliche Antwort auf die #metoo-Debatte und die Tatsache das DC schon einen weiblichen Superhelden-Charakter etabliert hat. Plötzlich versammeln sich
auf einem wilden Schlachtfeld
alle weiblichen Superhelden/innen (oder so) und man wartet nur noch drauf das die sich die Suffragetten Schärpen umhängen und demonstrieren. Eine derart beknackte Art und Weise, Frauenpower zu zeigen hätte ich in meinen kühnsten Albträumen nicht gesehen. Diese Szene reißt einen tatsächlich für einen kurzen Moment aus dem bisher wunderbaren Kinoerlebnis. So lässig der Spruch „Sie ist nicht allein!“ in Infinity War von Black Widow rüber kam, so peinlich ist er in diesem Augenblick. Meine Frau fragt mich, nicht zu Unrecht, wieso muss Pepper Potts jetzt „Iron Pot“ sein, wo doch Ihre wahre Stärke darin bestand, den Superhelden und Egomanen Tony Stark zu bändigen und unter Kontrolle zu halten. In diesem Zusammenhang wird man das Gefühl nicht los, dass man realisiert hat, dass in den letzten 10 Jahren die starken Frauen eine eher beiläufige Rolle gespielt haben und man wollte es auf Teufel komm raus in einer 50 sek. Szene wieder gut machen. Setzen Sechs, in der oben erwähnten Szene haben eigentlich nur noch Barbie und My little Pony gefehlt. Denn diese Szene war nicht an gefestigte, intelligente Frauen gerichtet, sondern an pubertäre Mädchen, die sich nach dem anschauen des Films wieder treffen, um zu diskutieren wie doof Jungs eigentlich sind. Selbst der eine Bibi und Tina Film(der, dessen Name nicht genannt werden darf) hat dieses Thema reflektierter behandelt. Genug über die Szene genöhlt. Thanos funktioniert als Bösewicht sensationell gut, wobei er, wenn man diesen Film für sich allein sehen wollte, in Endgame an charakterlicher Tiefe eingebüßt hat. In Infinity War hat man aber sein Motiv ausreichend, wenn auch nicht wirklich tiefgründig, ausgewälzt. Mimik und Stimme (oder Synchronstimme) von Josh Brolin machen Ihn tatsächlich zum besten Bösewicht im MCU. Sogar besser als Loki und Emil Blonsky zusammen.
Die Darsteller sind über Jahre hinweg in Ihre Rollen reingewachsen, hier gibt es „nur“ Ausreißer nach oben. Fabelhaft macht es z.B. Chris Hemsworth in den kleinen ruhigen Momenten, in denen er von einer komödiantischen Einlage direkt in den gedanklich verankerten Fehler, welchen er am Ende von Infinity War macht(Kopf-Brust-Dilemma), wechselt. Man nimmt der Figur ab, dass Alkohol und Fortnite das Problem nicht lösen, sondern nur kaschieren. Daher die Erinnerung an die Folgen seines Kopf-Brust-Missverständnisses (Männer haben dieses Problem leider öfter) immer wieder ausbrechen.
Wie ich in der Filmstarts.de Rezension ebenfalls lesen konnte,
muss man herausstellen, dass Ruffalos CGI Hulk das Mienenspiel des Schauspielers unfassbar gut aufnimmt und die typische Zurückhaltung die Ruffalo seinem Banner verliehen hat auf den „Professor Hulk“ weitergibt. Was im Zusammenspiel dann ein freundliches, grünes 4 Meter Monster ergibt.
Fast wie Elliot das Schmunzelmonster. Auch Scarlett Johansson gibt der Black Widow in den vorhandenen Szenen eine berührende, emotionale Tiefe. Gerade die Szenen zu Beginn, in der Sie als „Quasi-Anführer“ die übrigen Avengers koordiniert, zeigen mit schauspielerischer Unaufgeregtheit den Kern Ihres Problems, sich einfach überfordert und hilflos zu fühlen.
Downey Jr. und Evans sind hier sowieso über jeden Zweifel erhaben, ebenso wie andere Figuren die in Nebenrollen und Einzelfilmen schon so lange etabliert sind.
Was bleibt als Fazit? Ich, für mich, kann Endgame nicht als Film allein bewerten, denn dann würde dieser aufgrund der Unausgewogenheit von Humor, Action und Emotion nach unten abrutschen. Betrachte ich die beiden Avengers Teile 3 und 4 zusammen, ist hier ein Meisterstück der Comicverfilmung entstanden, welches ausgerechnet im „letzten“ Kampf der Trikosaedologie (vielleicht setzt sich meine Worterfindung für einen 23-teiler* ja durch ;-) ) eine falsche Szene mit gekünstelter Diversität raushaut.
*Spiderman FFH gehört ja auch noch dazu.