ACHTUNG SPOILER
Da verfasse ich sie nun doch, meine erste Filmkritik bei Filmstarts...seit über 10 Jahren bin ich regelmäßig hier unterwegs, habe auch oft angesetzt zu einer Kritik, wenn mich ein Film extrem geflasht hat und ich das Bedürfnis hatte dies zu teilen, jedoch habe ich es nie geschafft eine Kritik niederzuschreiben, mir fehlen da gefühlt die lyrischen und schreiberischen "Talente"...
Genug von dem Vorgeplänkel, dieser Film ist für mich einer der besten, die ich je gesehen habe - genreübergreifend- und ich habe eine Menge von sehr guten Filmen gesehen (natürlich immer subjektiv ;
Die Performance von Casey Affleck ist eine der besten, die ich je in einem Film gesehen habe! Auch hier gibt es eine Reihe von legendären, unvergesslichen Performances in der Filmgeschichte. Meine Thesen sind aber gut durchdacht und entspringen nicht aus einem temporären Hype.
Vor allem durch die ganzen emotional gepushten "Punchlines", die auf jeglichen Plakaten oder in Trailern eingeblendet werden über diese und jene Leistung, schrauben bei mir die Erwartung exponentiell hoch (was mich persönlich oft stört), aber da fällt es mir grundsätzlich schwer, unvoreingenommen in den Film zu gehen. Ich war sogar die erste halbe Stunde nicht ganz sicher, was ich von Casey halten sollte (natürlich in Relation zu den Vorschusslorbeeren). Ich habe mich dabei erwischt, wie ich auf bestimmte Schlüsselmomente warte, die einen emotional berühren und mitnehmen, so wie es in klassischen Dramen gemacht wird mit den typischen Regeln eines Aufbaus der Spannung und plötzlichen feel good oder feel bad Momenten und dann ein Happy End usw...Ich möchte dieses Konvention nicht schlecht reden, ich liebe solche Filme/Dramen ebenfalls. Jedoch bin ich auch ein großer Fan von dem krassen Gegenentwurf:
von Filmen wie Manchester by the sea, in denen scheinbar so wenig passiert, wo die schauspielerische Leistung einem nicht von der erste Minute an krampfhaft Emotionen aufdrücken will (die man ja eigentlich auch gerne erleben möchte in einem Drama), wo die Kamerafahrten und Dialoge scheinbar nicht "wertschöpfend" zu sein scheinen. Genau diese Sorte von Filmen ermöglicht meist einen sehr tiefen Zutritt in die Seele der Charaktere. Casey Affleck hat das perfekt umgesetzt, sodass ich irgendwann das Gefühl hatte, man schaut sich eine zufällige, willkürlich ausgesuchte Situation auf dieser Welt an, ohne, dass etwas gespielt wird. Diese unendliche leere in diesem Charakter wird so präzise und perfekt ausgeübt, dass es mir das Herz zerissen hat und mich noch tagelang nach dem Kinobesuch die ganze Zeit verfolgt.
Manch einer mag meinen es möge doch mehr Drama und Emotionen geben, besonders bei der Stelle wo seine Kinder sterben. Wir sind meistens verwöhnt von solch einem "acting", was auch sehr oft sehr brilliant verkörpert wird keine Frage. Umso seltener kommt es aber vor, dass so eine "ruhe" trotzdem soviel Emotionen bewirkt. Die Schlüsselstelle für Caseys Innenleben war für mich nicht länger als 3 Sekunden, und zwar wo er die Waffe des Officers zieht und sich umbringen will, aus dem nichts. Ab diesem Moment war einfach so klar: Dieser Mensch ist so am Ende und sowas äußert sich nicht nur in extrovertiertem Verhalten, sondern wird oftmals nach innen hin verarbeitet. Genau das stellt er schauspielerisch dar. Das muss nochmal betont werden, er SPIELT es "nur"... ich könnte Stunden weiter darüber reden...
Jedoch muss ich auch noch was zur Regiearbeit loswerden - diese Inszenierung ist so mutig und so perfekt gemacht, dass ich auch hier sagen muss : Hut ab!
Es wird auf jegliche Konventionen verzichtet...immer dann wenn inhaltlich der perfekte Zeitpunkt wäre eine Wendung oder eine feel good Stelle einzubauen, um die Achterbahnfahrt weiter anzutreiben bzw. zu initiieren, verzichtet der Regisseur darauf. Somit lehnt er bewusst die sonst so beliebten stilistischen Mittel ab und bleibt seiner Linie treu - und zwar jene, die es im Endeffekt, nachhaltig, rückwirkend und langfristig schafft, dass dieser Film erst recht sehr nah an die Substanz geht.
Es tut mir leid für den unstrukturierten Aufbau, wie vorgewarnt ist sowas nicht ganz meine Stärke.
Dieser Film ist ein Muss für Filmliebhaber, aber auch für Konsumenten die eher konventionellere Dramen bzw. Filme mögen (wie erwähnt mag ich beide Sorten gerne, ist also nicht abwertend gemeint) kann er sehr sehr wertbringend sein. Man muss sich jedoch darauf einstellen und genug Zeit und Geduld mitbringen.
Beste Grüße