Mit seiner Rache-Trilogie „Sympathie for Mr. Vengeance“, „Oldboy“ und „Lady Vengeance“ eroberte sich der südkoreanische Regisseur Park Chan-Wook einen Platz ganz weit oben in der Welt der Filmkunst. Nach einem Ausflug in die USA mit „Stoker“ (Mia Wasikowska, Matthew Goode und Nicole Kidman) ist nun „Die Taschendiebin“ angelaufen.
Korea, 1930er: Die junge Lady Hideko (Kim Min-He) ist eine wohlhabende Erbin und lebt in einem goldenen Käfig weit ab von der Zivilisation. Ihr Onkel Kouzuki (Jo Jin-Woong) verwaltet das Vermögen. Ein Hochstapler (Ha Jung-Woo) tritt als Graf Fujiwara auf und macht Hideko Avancen. Die junge Sook-He (Kim Tae-Ri), eine Taschendiebin, wird vorausgeschickt, um als falsches Hausmädchen dem Grafen den Weg zu bahnen. Doch sie fühlt sich zu ihrer Herrin hingezogen.
Park Chan-Wook, inspiriert von Susan Waters‘ Geschichte „Fingersmith“, die im viktorianischen England spielt, verfrachtet den Spielort in das von Japan besetzte Korea. Ja, das ist austauschbar, denn es treten eine reiche, heiratsfähige Frau und ein Schwindler in Erscheinung, letztendlich Menschen, die sich in ihrem Wirken beeinflussen. Sook-He ist die entscheidende weitere Figur im Soziogramm, dessen Linien während der 145 Minuten Spielzeit hier und da korrigiert werden. Am Rande ist interessant, dass die Vertreiber den Film mal nach der unverheirateten Frau benennen und mal nach der Taschendiebin als solche oder als Hausmädchen.
Kameramann Chung Chung-Hoon („Old Boy“) liefert berauschende Aufnahmen voller künstlerischer Leidenschaft. Die Kulissen in Form- sowie Farbgebung und das Spiel der Akteure sind in jeder der zahlreichen, Begeisterung erweckenden Einstellungen bewundernswert zusammengesetzt; das gilt gleichermaßen für Szenen sexuellen und gewaltreichen Inhalts. Der immense Arbeitsaufwand, der dahinterstecken muss, ist kaum spürbar, weil Unregelmäßigkeiten nicht vorkommen, vergleichbar mit Höchstleistungen der Spitzensportler, die kinderleicht verrichtbar erscheinen. Die Bilder quillen jedoch nicht über und sind nie aufdringlich, wie es bei Baz Luhrmann’s Filmen mit reichlich Farbsättigung und Kontrast zu sehen ist („Moulin Rouge“, „Australia“, „Der große Gatsby“). Nichts für Ungut, Luhrmann will das so und entwickelt seinen eigenen Charme.
„Die Taschendiebin“ besteht aus drei Teilen. Der erste, erzählt aus der Sicht von Sook-He, endet hinsichtlich ihrer Verhältnisse mit einem Paukenschlag. Der zweite liegt chronologisch überwiegend vor dem ersten, blickt auf das düstere, im Hintergrund brodelnde Geheimnis des Onkels und die Kindheit der Lady aus deren Perspektive. Darunter mischt sich die jüngere Vergangenheit mit Situationen, die dem Publikum vorangehend gezeigt wurden, aber Manipulationen aufdecken; das ist etwas zu lang geraten, aber wegen der exzellenten Gestaltung gleichwohl süchtig machend, zum Ende nachvollziehbar und in Kombination mit Teil 1 raffiniert vorgetragen. Der dritte Teil: ...nennen wir es eine Art Showdown.
Park Chan-Wook agiert weniger exzentrisch und nicht so brutal wie noch zu Vengeance-Triple-Zeiten, dafür mit einer Portion Humor. Auch wird racheheischend am Spieß gedreht. So beweist „Die Taschendiebin“ mit schlüssigen Handlungen und Figuren die Vielseitigkeit des Regisseurs.
Herrlichkeit liegt in der Unkompliziertheit und Anmut des mitreißenden Werks, das Ehrlichkeit und Vertrauen über alles stellt.