Regisseur Ulrich Seidl (Paradies-Reihe) tritt für „Ich seh, ich seh“ als Produzent auf. Ehefrau Veronika Franz, die bei vielen seiner Projekte Aufgaben z.B. als Autorin erhielt, hat für das österreichische Horror-Drama zusammen mit Severin Fiala Regie geführt und das Drehbuch geschrieben.
Die Zwillinge Lukas (Lukas Schwarz) und Elias (Elias Schwarz) sind zwei richtige Lausbuben. Sie leben mit der Mutter (Susanne Wuest), eine gut situierte TV-Moderatorin, auf dem Lande. Als die Mutter nach einer Schönheits-OP mit verbundenem Gesicht auftaucht, neue Regeln aufstellt und mit Verboten um sich schmeißt, wirkt das auf die Jungs sehr befremdlich und unanehmbar einengend. Sie finden ein Bild, auf dem die Mutter mit einer gleich aussehenden Frau zu sehen ist, und ein Video, das die Mutter mit braunen statt blauen Augen zeigt.
Aus dem Hause Seidl sind Spielfilme mit vor allem semidokumentarischem Stil bekannt, die auf diese Art ihre Wirkung entfalten. „Ich seh, ich seh“ schraubt sich von Beginn an ganz anders in die Augen des Betrachters: Wie eine Bausünde ist das moderne Haus in die Idylle gesetzt. Die Inneneinrichtung ist aufwändig, an den Wänden hängen Bilder mit verschwommenen Motiven, die neben dem Filmtitel erste Rätsel und Raum für Interpretationen aufgeben. Das ist auch gut so und spinnt sich erheblich besser als mancher Horrorstreifen mit ähnlichem Langsamstart. Währenddessen wirkt die bandagierte Mutter zunächst eher auf die Söhne unheimlich, die aufbegehren und mit Gegenmaßnahmen belegt werden.
Das faszinierende an dem Film ist die straight herausgearbeitete Darstellung der verschiedenen Welten von jung sein und wieder jung sein wollen, die von ihren Protagonisten nicht verlassen werden möchten (und den Zuschauer nicht nur auf eine falsche Fährte locken sollen), teilweise mit fantastischen Bildern gezeigt, untermalt mit einem genretypischen, aber nicht aufdringlichen Soundtrack. Das Ergebnis ist eine zunehmende Anspannung, die in eine extrem fotografierte Eskalation führt. Das ist wegen der dann doch Seidl-typischen Realitätsnähe kaum erträglich und mündet in einem überraschenden Finale ohne Ende der Gewalt.
„Ich seh, ich seh“ ist ein wirksamer Horror-Schocker, der sich wegen der einfallsreichen Detailarbeit und dem geringen Abstand zwischen Spielwelt und Publikum weit von der US-Mainstream-Ware abhebt.