Das Internet ist gefährlich…mein persönliches Zeigefinger-Statement zu Beginn dieser Rezension.
Nur einmal vorab, es ist nahezu unmöglich eine handfeste Rezension zu schreiben, ohne den Film an einigen Stellen zu spoilern. Daher bitte mit Vorsicht lesen.
Wenn wir dann nochmal "rückblendentechnisch" kurz auf mein Statement zu Beginn eingehen, ist an dieser Stelle vielleicht zu betonen, dass uns das Internet auch nur dann gefährlich wird, wenn wir entsprechend viele Leichen im Keller haben. Wenn ich mir dann den Teenie-Haufen anschaue, dann hatte wahrscheinlich Chuck Manson weniger Dreck am Stecken, als diese Bande. Wer Muschiettis „Mama“ gesehen hat, und sich Edward Snowden als eben diese Mama vorstellt, landet unweigerlich bei dem was sich der Drehbuchautor wohl vorgestellt hat.
Aber beginnen wir wie immer mit der Technik, Kamera…..uff…ich bilde mir mal ein, dass Adam Sidman als Chef-Kameramann noch mehr zu tun hatte, als die Einstellungen der wackeligen Laptop-Kameras zu kontrollieren. Diese sind zwar zum größten Teil glaubwürdig und natürlich geraten, aber man hat auch den Eindruck, dass den Darstellern hier freie Hand gelassen wurde. Sollte sich Adam Sidman ebenfalls um die Anordnung der geöffneten Desktopfenster gekümmert haben (99,9% des Films spielen auf dem Desktop der Hauptprotagonistin Blaire) verdient er sich hier meinen Respekt. Trotz wildem „Klicken“ auf Programm-Icons und Chatrooms, verliert der Zuschauer fast nie die Schauspieler aus den Augen, mal als maximiertes Desktop-Window, mal als minimierte Fenster an der Seite neben dem geöffneten Browser. Entgegen dem landläufigen Rumgeschiebe, das sich in der Realität auf einem Desktop abspielt, öffnen sich die Programme sehr oft erschreckend geordnet. Was dem Film allerdings das entsprechende Tempo lässt….hier tut man gut daran sich von der Realität zu entfernen.
Schnitte sind hier in einer tollen Variante untergebracht, als Freeze Frame beim Videochat oder die Übertragung auf den Desktop wird komplett unterbrochen. Somit kann sich der Film indirekt damit rühmen ohne einen „echten“ Schnitt im herkömmlichen Sinn auszukommen (was Ihn aber noch nicht zu einem „Birdman“ macht). Der Score ist untergeordnet, ab und an werden Musikstücke eingestreut welche der Situation mehr oder weniger im humoristischen Sinn zuträglich sind. Das war es eigentlich an technischen Kabinettstückchen, das Setting ist beschränkt, die Darstellung des Computers gelungen und das „Product-Placement“ bringt tatsächlich Authentizität. Die Umsetzung in Deutsch ist erwähnenswert klasse! Der Film ist nicht nur simpel synchronisiert, sondern alle Chats und Browserverläufe sind ins Deutsche übersetzt, hierfür ganz klar eine 1 plus mit Sternchen. Dieser Aufwand rettet auch vermutlich einiges an Atmosphäre für Zuschauer die den amerikanisch-englischen Leetspeek und Emoji-Wahnsinn nicht unbedingt einordnen können. (wobei hier größtenteils und glücklicherweise auf die „YOLO´S“ und „LOL´s“ verzichtet wird.
Das Drehbuch birgt tausend gute Ideen, allerdings funktionieren diese nicht immer. Es sind oft Kleinigkeiten die den eigentlichen Grusel schmälern. Wenn der gute Ken (Jacob Wysocki) zum Beispiel im Verlauf des Videochats plötzlich vom Videofenster des „Unknown User“ von hinten gezeigt wird. Klassisch, aber am Ende der Umsetzung weder spannend noch originell. Von logischer Folge hier nicht redend, muss man bei den üblichen Found-Footage Filmen dahingehend wohl einfach Abstriche machen. Er flüchtet halt nicht alles liegen lassend aus seinem Zimmer und ruft Frank Drebin zu Hilfe, sondern schaut in aller Seelenruhe nach, wie denn da noch eine Webcam in sein Zimmer kommt. Das schwerwiegendere Problem ist allerdings die prall gefüllte Klischee-Sparte. Fangen wir bei den beliebten US Kleinstadt High School Kids an, die ALLE gerade vom Disneychannel gehüpft sind. Um es mal drastisch zu formulieren, ist hier außer dem korpulenten Computernerd (achwas), der hier wie ein Anker der Hässlichkeit wirkt, das „Who is Who“ der High School Models versammelt. Dann können wir fließend übergehen, zu dem Eingangs erwähnten Bodycount im Parterre der Kids. Offen gesprochen glaube ich, dass die meisten Warlords eine behütetere Kindheit hatten. Man hat ab einem bestimmten Punkt überhaupt keinen Sympathieträger mehr in der Gruppe, und das macht den Horror gänzlich unmöglich. Zwischenzeitlich habe ich mich sogar ertappt wie ich dem „Unbekannten Benutzer“ herzlich die Daumen gedrückt habe, dass die Protagonisten endlich mal „was auf DIE FRESSE“ kriegen. Damit kommen wir auch gleich zum nächsten schweren Kritikpunkt, die mit hauptsächlich unbekannten Seriendarstellern vollgestopfte Schauspielerriege übertreibt es dermaßen mit dem Overacting, dass man denkt man hätte aus Versehen auf „Berlin Tag & Nacht“ umgeschaltet. Da schießt sich vor allem die Hauptprotagonistin Shelley Hennig (Blaire) mit Heulegesicht und Rotznase an die Spitze des Laiendarsteller-Peleton. Einzig Willi Peltz als Adam spielt hier einen guten, aber nicht immer überzeugenden Part.
Die Arbeit von Levan Gabriadze (hierher müsste dann jetzt ein Schulterzuck-Emoji) als Regisseur ist solide und gut, sofern man seine Vision darin erkennen kann. Hätte er das ein oder andere Mal noch seine Darsteller gezügelt, hätte er wohl seinen Job tadellos erledigt. An manchen Stellen hätte man sich gewünscht, dass er die Schockmomente etwas besser timed, aber die Konsequenz mit der er und sein Team die Darstellung des Films, auf einen Laptop beschränkt, durchziehen, fesselt wohl ab und an die Kreativität.
Fazit: Sollte es in 3 Jahren eine Neu Auflage des Films geben, bei dem richtige Schauspieler mitspielen, könnte mit dem restlichen Team wohl ein richtig guter Film herausspringen. Produzent Temur Bekmambetov ist der Mann für außergewöhnliche Ideen in Hollywood. Trotz der mageren Wertung für „Unknown User“, bin ich gespannt auf „Hardcore“. Denn die Ideen mit welchen der Produzent spielt sind frischer Wind im Prequel/Sequel-Wahn der amerikanischen Filmeschmiede.