Gloria Victoria? Nein. Kein Sieg für „Victoria“, denn wozu sollen diese 2 Stunden und 20 Minuten eines simplen Gangsterfilms in ‚Echtzeit’, d.h. mit durchgehendem Handlungsablauf im Kleinkriminellenmilieu von Berlin gut sein? Mehr als ein technischer Gag, also das, was technisch mit der digitalen Technik heute möglich und machbar ist, hat dieser Film nicht gezeigt. Letztlich nur der Beweis einer realisierten ‚l’art-poir-l’art’-Idee, der es im Kino aber weitgehend an einer Existenzberechtigung fehlt, da sie für den Zuschauer wenig interessant ist. Dieses Konstrukt ist nicht in der Lage, eine umfangreiche, mit unterschiedlichen Aspekten, Personen, Zeitebenen und Handlungsabläufen ausgestattete Geschichte zu erzählen. Es bleibt ein einziger Handlungsstrang, der gradlinig aufgebaut ist, weil er sonst technisch nicht zu realisieren ist. Wie gesagt: Ein Experiment, welches beweisen will, dass so etwas möglich ist – mehr auch nicht. Es ist kein Spielfilm geworden in dem Sinne, dass er erst durch seine Vielschichtigkeit für den Betrachter interessant und sehenswert wird. Ein guter Spielfilm erzählt eine komplexe Geschichte auf so interessante und abwechselungsreiche Art und Weise, dass der Zuschauer dafür Geld ausgibt und ins Kino geht. Fazit: ‚Victoria’ ist nicht sehenswert, es sei denn, man will mal einen 240 Minuten langen Film ohne Schnitt sehen und das, was dann dabei herauskommt.
Sebastian Schipper hat mit „Victoria“ einen ganz anderen Film gemacht, der am 12.06.15 in München mit anschließender Anwesenheit des Regisseurs gezeigt wurde.
Berlin, in den frühen Morgenstunden: Die Spanierin Victoria (Laia Costa) trifft in einer Disko auf vier junge Männer, die Geburtstag feiern und viel dummes Zeug reden. Aus Sympathie, insbesondere für Sonne (Frederick Lau), wird die Erlebnissüchtige zunächst Partybegleiterin und später Fluchtwagenfahrerin für ein krummes Ding, das zunächst gelingt.
Schipper wollte keinen Film machen, der wie viele andere dank der Technik perfekt gestylt sei und wie viele andere dieselben Schnitt- und Figurenmuster aufweise. Das ist ihm mit einem Budget unter Tatort-Niveau mehr als gelungen. Die Rolle einer Frau sei in der Story zunächst nicht vorgesehen gewesen, aber allmählich zur Hauptfigur hineinentwickelt worden (Schipper: „Die einzige, die diesen Banküberfall braucht, ist Victoria.“). Das Ergebnis ist nicht nur echtes Autorenkino sondern ein Film, der tatsächlich ohne Schnitt mit einer Einstellung zum 139-Minuten-Marathon für das Team geworden ist (hauptsächlich für den hardwarebeladenen Kameramann, während z.B. bei „Birdman“ mit hidden Cuts gearbeitet wurde). Das kommt dann stellenweise wacklig und unscharf im nachtdunklen Berlin, dafür mit dem Effekt der optimalen Realitätsnähe. Einige Abschnitte haben mit reduziertem Umgebungston und Musikuntermalung interessante künstlerische Akzente erhalten.
Drei Durchgänge des zuvor in 10-Minuten-Takes unterteilten und eingeübten Plots sind unter reichlich Improvisation sowie schauspielerischem Können aufgezeichnet worden; der letzte ist auf der Leinwand zu sehen, gestern von einem sehr begeisterten Publikum.
Dass dieser einzige Take einen Erzählrhythmus ohne jedwedes Loch aufweist, erweckt Faszination satt; ein Umstand, der auf Schipper als künstlerischen Leiter ein besonderes Licht werfen sollte. Das Verhalten des Anstifters Andi (André M. Hennicke) um die Durchführung des Coups und Aufteilung der Beute mag rätselhaft erscheinen, doch stören kann das kaum. Alles ist wild, auch ohne programmierte Gags komisch, stets in Bewegung und dann von bedrückender Härte, die noch lange nach dem Abspann wirkt.
Liebe Kinofans, "Victoria" ist ein langweiliger Film, der einfach nur so dahin plätschert und einschläfernd wirkt. Das permanente Gestammel der Akteure auf Englisch bzw. halb auf Deutsch ist ein Grund dafür. Tatsächlich ist es beeindruckend, dass der Film ohne einen einzigen Schnitt auskommt und somit aus einem Guss besteht. Dadurch entsteht ein völlig neues Filmgefühl gegenüber einer konventionellen Drehweise. Zwar neu, aber eben schlechter. Denn dies ist der Hauptgrund für eine einschläfernde Wirkung. Und der Film gewinnt durch diese neuartige Kameraführung keine Vorteile. Es ist immerhin etwas Neues probiert und ein Risiko eingegangen worden; daher gebe ich noch 3 Punkte und nicht 0 oder 1 Punkt.
Ein Film, den es gar nicht geben kann. Dasselbe wurde vor gar nicht langer Zeit über Randy Moores als Skandal angelegten Disney-Horror gesagt. Viel unglaublicher allerdings ist das, was Schipper hier gelingt: eine allgegenwärtige Kamera verfolgt die improvisierten Dialoge, die Gesten und Handlungsabfolgen einer wirklich unglaublich guten Darstellercrew. Und das 140 (!!) Minuten am Stück und ohne Schnitt. Das wirkt mitunter so echt und zieht den Zuschauer selbst so tief mit in den Konflikt, dass es schon fast körperlich, am eigenen Leib spürbar wird. Filmische Authentizität, die so nahe geht, dass der Zuschauer es vorher nicht wagt, an eine beinahe Verschmelzung von Fiktion und Realität zu glauben. Doch nach dieser Wucht von Film, wird sich etwas verändern - im Konzept Film und in dessen Wahrnehmung.