Für mich war dieser Film eine echte Überraschung im positiven Sinne. Da der Film nicht so hoch gelobt wurde, hatte ich das nicht erwartet. Mir spielt das Thema auch gut zu: Als Interessierter an Philosophie, schafft es der Film diese einzubringen, auch wenn manchmal immer wieder die schnöde Kritik diese sei ja nicht "praktisch" geschleift wird, auch von der Hauptfigur selbst. Trotzdem schafft es Allen sein Skript so anzulegen, dass die philosophischen Fragen nicht einfach abgestreift werden, sondern in der Tat präsent sind und behandelt werden. Das macht richtig Spaß. In dieser Hinsicht ist der Film sogar reifer als "Match Point" an welchen "Irrational Man" in der Tat stark erinnert. Auch deswegen kann der Film nicht so gut ausfallen, da Allen mit ersterem 2005 wirklich noch einmal richtig radikal war und trotzdem typisch blieb. Gleichzeitig kann man sagen: "Irrational Man" ist ausgewogener, denn hier gibt es in der Tat Humor.
Zwei Kritikpunkte habe ich an dem Film: Zum einen ist die Charakterisierung manchmal etwas - wie soll man sagen? - vergesslich. Es heißt z.B. Abe Lucas sei von seiner Frau betrogen worden. Später ist er die Affäre für gleich zwei Frauen. Dies wird in keinster Weise erwähnt, weder von den Frauen noch von Abe selbst. In meinen Augen passt das nicht so recht zur Figur, der ich diesbezüglich, gerade als Experte für Moralphilosophie, die Reflexion durchaus zugestehen würde. Vielleicht hat man sich ja etwas dabei gedacht genau dies nicht durch die Münder der Figuren zu thematisieren. Doch, wie gesagt, aus meiner Sicht passt das nicht.
Zum anderen fand ich den Ausgang des Plots schade. Sein Ire hat es in "Match Point" damals geschafft, und man möchte nun sagen: Eine weitere Figur, die hier überlebt (und die tatsächlich irgendwie doch "besser" ist), wäre öde gewesen. Aber es ist einfach schade, da Abe Lucas hier sympathischer war. Natürlich macht es ihn schließlich nicht sympathischer einen zweiten Mord zu begehen. Auch das finde ich unpassend und macht Allens Geschichte dann letztlich doch wieder konventioneller, versöhnlicher - und damit letztlich schwächer.
Fazit: "Irrational Man" ist ein gelungener, ernsterer Allen-Film, der stark an die zweite Hälfte von "Match Point" erinnert, dabei aber nicht ganz die Klasse jenes Meisterwerks erreicht.