Ist ein Spion nur ein Mensch der reine Befehle befolgt oder steckt in ihm das Abgrundtief Böse, der keine Verteidigung verdient hat? Dieser Frage geht Star Regisseur Steven Spielberg (E.T.) in seinem Kalte Krieg Thriller "Bridge of Spies" nach. Das Sakrileg der Menschenwürde, das jeder wichtig ist, egal ob Russe, Amerikaner, Anwalt, Spion, spielt hier eine zentrale Rolle. Mit gewohnt leichter Regie Hand wird wieder einmal eine hohe Qualität in Sachen Ton, Bildsprache und Schauspiel Leistung erreicht. Der etwas zähe Beginn und das rasche Ende lassen aber etwas an der Bewertung federn...
Ohne Frage, hier sind nur absolute Profis ihrer Zunft am Werk. Meisterregisseur, einer der besten Drehbuch Autoren Duos (Coen Brüder, Fargo), ein genialer Cinematograph (Janusz Kaminski, Schindlers Liste) und der großartige Tom Hanks (Der Soldat James Ryan) in der Hauptrolle. Und das sieht man ihrem neuen Werk in jeder Pore und jeder Filmminute einfach an. Jeder Dialog und Gesichtsausdruck passt perfekt zu der Szene, die Kamera fängt immer das für den Moment richtige ein und die Ausstattung ist einwandfrei an die späten 1950-er Jahre angelehnt. Nach starkem Beginn, die ersten 5 Minuten wird kaum ein Wort gesprochen, viel mehr wird man Zeuge einer stummen Observation, kommt der Film erst einmal in einem sehr gemächlichen Tempo daher. Keine Frage, Kostüme, Gegenstände, Dialoge, alles ist ein gelungener Fluss und hohe Filmkunst. Auch die Lichtverhältnisse die in die spärlich Beleuchteten Räume von außen reflektieren passen in die paranoide Stimmung in Amerika, als "Big Brother" praktisch alles und jeden verdächtigte. Manch eine Wendung oder Entscheidung ist aber nicht so ganz nachzuvollziehen, etwa warum die Figur von Tom Hanks einen Spion verteidigt selbst als seine eigene Familie in Bedrängnis gerät, und das nicht nur medial. Klar geht es um Menschlichkeit, aber da würde doch jeder normale Familien Vater dann die Grenze ziehen.
Nachdem die erste Stunde dann fast nur aus Gerichtsgebäuden und Gefängnis Zellen besteht geht die Spannung stetig nach oben und als dann ein Pilot über russischen Gebiet abgeschossen wird entwickelt der Thriller endlich eine Sog Wirkung und fesselt einen. Ein Gefangen Austausch soll ausgerechnet in Ost Berlin stattfinden, ein Ort an dem die Menschenwürde gerade mit Füßen getreten wird und die "berühmte" Mauer bald Deutschland für lange Zeit trennen wird. Die Bildsprache wird in Berlin angekommen dann deutlich düsterer, es schneit, ist kalt und die Gebäude wirken wie die Menschen gezeichnet vom Krieg. Hier entfacht Spielberg dann eine temporeiche, emotionale Geschichte rund um einen eingesperrten amerikanischen Studenten, der beim Versuch mit seiner Ost Deutschen Freundin zu fliehen verhaftet wird. Hanks Figur verhandelt hier eigenständig sowohl mit der DDR als auch der Sowjetunion, den die CIA sorgt sich nur um ihren Piloten der Top Secret Informationen preis geben könnte. Die Kamera hält hier auch unerschrocken auf Hinrichtungen beim Stürmen des Todes Streifens drauf, eine der wenigen heftigen Szenen in einem sonst eher unbrutalen Film. Leider geht dieser Teil, der klar durch das Schriftzeichen "In Berlin" eingeleitet wird und sich von der Sprache und dem Look deutlich zum ersten Akt abgrenzt dann viel zu schnell zu Ende, das Finale auf der "Glienicker Brücke" ist spannend und gut inszeniertes Kino, das fast schon Western Anleihen hat, ein bisschen mehr Fokus auf diese Story wäre aber meiner Meinung nach für den gesamten Film fesselnder gewesen.
Schauspielerisch gibt es nichts zu meckern. Tom Hanks spielt wie gewohnt überzeugend seinen Charakter, dem es nur anhand des Drehbuchs manchmal etwas an Glaubwürdigkeit mangelt. Amy Ryan (Birdman) als eine Frau ist solide, ebenso der deutsche Sebastian Koch (Das Leben der Anderen) als Stasi Anwalt, immer wieder schön einen Landsmann in Hollywood zu sehen. Der Star ist aber ganz klar Mark Rylance (The Gunman) als russischer Spion, der unterkühlt und ruhig, fast schon teilnahmslos seine Lebensweisheiten preis gibt, und auch wenn man weis, er gehört zu den "bösen", hat man fast Mitleid mit ihm. Eine schöne Parabel an die Menschenwürde und eine für mich Oscar Reife Rolle. Was bleibt abschließend zu sagen? Die zweite Hälfte gefiel mir deutlich besser, auch wenn die erste nicht wirklich schlecht ist, nur etwas zu wenig Tempo und Spannung hat. In dem Ost Teil zeigt Spielberg dann was für ein genialer Filmemacher er auch nach ein paar schwächeren Filmen immer noch ist und das er zurecht noch nicht ausgedient wirkt. Da wird auch in Zukunft hoffe ich noch das eine oder andere Meisterwerk kommen. Denn das grauen des Krieges kann er wie kaum ein andere einfangen, und das nicht nur visuell sondern auch vom Gefühl und Ausdrucksweise her. Das er auch ein Meister der ruhigen Bilder ist beweist er am Ende, das zeigt wie man mit richtiger Musik und Bildsprache Gänsehaut erzeugen kann.
Fazit: "Bridge of Spies" ein ein klassischer Thriller der alten Filmschule, der in Sachen Ausstattung, Ton und Kamera brilliert und gerade in der zweiten Filmhälfte fast perfektes Timing hat. Kein Meisterwerk, aber eine schöne und spannende Suche danach, was Menschlichkeit und Würde ausmacht.