Es gab schon immer Bücher oder Filme, die sich Gedanken darüber machten, was eine Mutter bereit ist für ihr Kind zu tun. Und das sie im Stande ist übermenschliches zu leisten. Doch noch nie wurde das Thema eindringlicher gezeigt wie in "Room". Ein ganz kleines Drama, von einem unbekannten Regisseur mit keinen großen Stars. Das braucht es aber gar nicht. Dank dem homogenen und emotionalen Spiel von Brie Larsen ,dem 9(!) jährigem Jakob Trembley und dem subtilen Einsatz von Kamera und Musik entsteht eine eindringliche Mutter Kind Studie, die oftmals Hagel Korn große Gänsehaut erzeugt. Kleiner Film, großes Kino!
Der Roman "Room" war ein großer Bestseller. Darin erzählt ein kleiner Junge von Raum, einer Welt die nur er kennt. Er erzählt von seinem Bett, von dem Klo und der Badewanne, dem Fernseher der nicht real ist und dem kleinen Glas Verschlag an der Decke, das Universum. Er lebt dort mit Mu, und ist 5 Jahre alt. Erst nach und nach wird einem klar, das beide nicht zum Vergnügen hier sind und die Enge ihrer "Zuhauses" nicht für alle Zeiten ihr Leben sein kann. Jeder der den Trailer gesehen hat, weis natürlich was geschehen ist und noch geschehen wird. Am besten schaut man ihn also ohne Vorkenntnis des Buches und sollte keine langen Inhaltsangaben lesen. Macht man das nicht, erlebt man einen Plot Point den ich selten so unerwartet und kolossal erlebt habe. Zwar nimmt man die Fährte der Lunte irgendwann auf, doch ist sie dann mal abgefeuert, erzeugt sie einen wahren und einzigartigen "Aha" Moment. Das geniale an dem Drama ist jedoch, auch wenn man das ganze weis oder ahnt, funktioniert "Room" immer noch auf ganz vielen Ebenen.
Als Zuschauer gehen wir mit den beiden auf eine Reise, und nehmen ihre Realität als unsere war. Eins ums andere mal fragt sich der Zuschauer, wie würde ich selbst reagieren? Was würde ich tun? Durch das schmale Szenenbild gibt es keine großen Panorama Aufnahmen. Die Kamera wirkt eher als wäre sie ein teil von Raum und passt sich dessen Enge und Beklemmung an. Nur sporadisch setzt Musik ein, etwa wenn Mu ihrem Sohn ein Gute Nacht Lied singt. Die Faszination ergibt sich aber auch aus der Beziehung der beiden. Ihre Liebe ist einzigartig und doch wohl Millionen mal vorhanden auf dieser Welt. Und beide Schauspieler beweisen hier das in Zukunft mit ihnen zu Rechnen ist. Jakob Tremblay ist die Entdeckung. Er ist zwar schon 9, spielt aber so real und authentisch einen 5 jährigen wie es besser kaum geht. Durch seine Augen nehmen wir die Welt war und entdecken sie mit ihm. So reichen seine Emotionen immer wieder von purer Freude und kindlichem Entdecker Geist hin zu Unverständnis, Überforderung und Traurigkeit. Dem gegenüber steht Brie Larsen. Bisher in kleinen Nebenrollen oder Independent Filmen zu sehen, spiegeln sich in ihrem Gesicht binnen Sekunden die ganze Hoffnungslosigkeit und ihre gebrochene Seele wieder nur um dann wieder freudestrahlend und voller Liebe zu sein. Diese Maske fällt mit zunehmender Spielzeit, ihre Nerven liegen mehr und mehr blank und wenn ihr ausgedörrtes, bleiches und trauriges Gesicht selbst beim Lachen tiefe Tränen nicht verbergen kann, ist das mit das beste was ich seit langer Zeit gesehen habe. Ihre Ambivalenz zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte, sie macht die größte Wandlung durch und jede Minute leidet man mit ihr mit.Völlig verdient gab es für diese herausragende Leistung den Oscar!
"Room" lebt vor allem von der Atmosphäre. Es geht um kleine Dinge, wie wichtig etwa Einfallsreichtum in einer schier ausweglosen Situation ist (und was ein Teppich dazu beitragen kann). Und er lebt vom Entdecken, eine Gabe die leider heutzutage fast völlig abhanden gekommen ist. Es gibt kein Spektakel, und kaum Veränderung im Szenenbild, und doch birgt jede einzelne von Ihnen eine unerklärbare Schönheit und Präsenz. Auch nimmt sich Regisseur Lenny Abrahamson viel Zeit, schert sich nicht um irgendwelche Mainstream Mechanismen und nimmt immer wieder Tempo heraus, wenn er es für nötig hält um den Charakteren gerecht zu werden und die Situation auf den Zuschauer wirken zu lassen. Das ist ganz große Filmkunst. Und auch ohne typische Action oder Brutalität entwickelt sich ein Thriller, der seine Spannung aber nicht nur aus der Auflösung des Plots bezieht, sondern viel wichtiger, wie die Menschen damit umgehen. So sind die zwischenmenschlichen Beziehungen wichtiger als plakative große Bilder, und bis auf eine kann ich alle Handlungen und Veränderungen komplett nachvollziehen.
Fazit: "Room" zieht einen von Anfang an in einen emotionalen Sog und bietet in jeder einzelnen Szene etwas neues zu entdecken. Dank der zurückhaltenden Regie, dem Platz und der Zeit für Gefühle und Atmosphäre und der beiden perfekt harmonierenden Darsteller ein kleines, feines und eindringliches Meisterwerk!