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    Leviathan
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    3,6
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    Kinobengel
    Kinobengel

    459 Follower 550 Kritiken User folgen

    4,5
    Veröffentlicht am 18. März 2015
    Der bekannte und mit vielen Preisen ausgezeichnete russische Regisseur Andrey Zvyagintsev hat mit „Leviathan“ den russischen Beitrag zur Oscarverleihung 2015 beigesteuert. Sein Werk wurde für den besten fremdsprachigen Film nominiert.

    Nikolai „Kolya“ (Aleksey Serebryakov) hat sein Haus mit Autowerkstatt in der Nähe einer russischen Stadt an der Barentssee mit eigenen Händen erbaut. Dort lebt er mit seiner zweiten Frau Lilya (Elena Liadova) und Roma (Sergej Pochodajew), dem Sohn aus erster Ehe. Der zwielichtige Bürgermeister Vadim (Roman Madianov) enteignet Nikolai und bekommt vor Gericht in letzter Instanz Recht. Ein Freund von Nikolai, der Moskauer Anwalt Dmitri (Vladimir Vdovichenkov) hat belastendes Material gegen den Bürgermeister gesammelt und möchte eine erheblich höhere als die gerichtlich festgelegte Entschädigung erreichen.

    Weite Landschaften, karge, unwirtliche Schönheit, Naturgewalt, gepaart mit klassischer Musik. So beginnt und endet „Leviathan“. Dazwischen ist kaum Musik zu hören. Zvyagintsev baut in seinem ruhig erzählten und mit Landschaftsaufnahmen untermalten Film eine Stimmung auf, die einer zusätzlichen auditiven Unterstützung nicht bedarf. Schnell stellt sich Nikolai als einfacher Mann mit Hang zum Choleriker vor. In der Szenerie ist stets unklar, was als nächstes passiert, denn viele Entscheidungen sind möglich. Oft, nicht immer, ergehen sie zu Gunsten der Unvernunft, denn Korruption, Rache und Eifersucht sind im Spiel, somit Allzumenschliches. Der russische Regisseur setzt Aktionen und besonders die Ellipsen mit außerordentlichem Fingerspitzengefühl an die geeigneten Stellen und erzeugt ein zusätzliches Kribbeln in den Reihen vor der Leinwand. Die größere Besonnenheit geht von den Frauen aus, die ihre Männer im Zaum halten müssen. Das müssen die Figuren mit jeder Menge Wodka herunterschlucken. Und auch sonst sind die Flaschen mit dem Wässerchen und eine deftige verbale Ausdrucksweise an der Tagesordnung. Klischee? Zumindest hat der Zuschauer irgendwann den Eindruck; die einzige Schwäche des Films, der im Übrigen mit Realität und zynischem Humor überzeugt. Lilya handelt weniger überlegt. Sie liebt Nikolai, aber Armut droht, der Stiefsohn lehnt sie ab. Das treibt sie in die Arme von Dmitri. Elena Liadova spielt Lilya mit ihrer betörend schlichten Schönheit und dieser unglaublich intensiv dargestellten Zerrissenheit. Die kleine Welt von Nikolai stürzt zusammen, wie die des Hiob, dessen alttestamentarische Geschichte als Vorlage für den Film diente. Ein leidenschaftlicher, sich verausgabender Aleksey Serebryakov zeigt einen erniedrigten Nikolai. Und Zvyagintsev setzt dem Beobachter als kleinen Kniff das funktionierende Pärchen Angela (Anna Ukolova) und Pacha (Aleksey Rozin) entgegen, um das erschütternde Schicksal von Nikolai und Lilya zu verdeutlichen.

    „Leviathan“ ist ein herausragend erzähltes Drama um den Zusammenbruch eines Menschen und dem unschuldigen Rauschen der Brandung als Gewissheit.
    Kino:
    Anonymer User
    5,0
    Veröffentlicht am 5. Mai 2017
    Leviathan ist ein von Beginn an kompromissloser Film, der in langen ebenso von Dialog wie von Bildgewalt getragenen Szenen den vergeblichen Kampf einer Familie und ihrer Freunde gegen korrupte Politiker zeigt. Wenngleich ob des politischen Gehalts der Geschichte als russlandkritisches Drama gelobt, ist Leviathan keineswegs nur auf seine gesellschaftliche Relevanz bedacht. Die ökonomischen Erwägungen und Ambitionen, die das erste Drittel des Films bestimmen, lässt der Film nämlich zusehends im Sand verlaufen und konzentriert sich auf die Seelenvorgänge der Protagonisten, denen durch persönliche und politische Konflikte der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Beeindruckend ist, dass Swjaginzew alle Handlungsstränge, gerade ihrer Ereignisarmut mit Gefühl für Zeit, Dialoge und Personen handhabt, sodass man den zahlreichen Figuren mit Spannung folgt. In den Händen des Regisseurs verwandeln sich auch die etwas trostlose Geburtstagsfeier und das ständige abendliche Trinken in Szenen atemberaubender Dichte, ohne dies jemals durch auffällige, inszenatorische Kniffe erzeugen zu wollen; im Gegenteil: gerade die radikale Reduktion von Kameraführung, Schnitt, Landschaft, Handlung und Charakterzeichnungen auf das Wesentliche war der beste Schritt, den Swjaginzew machen konnte. Leviathan ist ein insbesondere zum Ende hin düsteres, pessimistisches Politdrama, der bis in die letzten Einstellungen genial durchkomponiert ist.
    Rüdiger Wolff
    Rüdiger Wolff

    13 Follower 62 Kritiken User folgen

    4,5
    Veröffentlicht am 15. März 2015
    „Armes Russland…
    … reiches Russland“. Ein Film über das Leben und die Menschen im heutigen Russland. Ein episches Werk von großer Aussage- und Strahlkraft - dargestellt an einer Familie und ihrem Schicksal in einem Küstenort. Ein bedrückendes Drama, das von gesellschaftlicher und staatlicher Korruption, von Unrecht, einer gesteuerten Justiz und einer schwachen Kirche handelt. Über allem schwebt der Alkoholismus, mit dessen Hilfe man meint, dieses Leben noch einigermaßen erträglich machen zu können. „…reiches Russland“ soll mein Hinweis sein auf die reichen Ressourcen bei den Bodenschätzen und Energiequellen, die aber weitgehend nicht zum Wohle der Bevölkerung verwertet werden, sondern irgendwo in den Taschen der Oligarchen verschwinden. Der „Leviathan“ wird in dem Buch „Hiob“ in der Bibel (Kap. 40:25 ff.) als ein von Gott geschaffenes großes Meeresungeheuer beschrieben, gegenüber dessen Gewalt und Größe der Mensch machtlos ist. Seine Interpretation auf diesen Film bleibt jedem Betrachter letztlich selbst überlassen; nach meiner Meinung sind die Auswirkungen einer fast 100jährigen atheistischen, kommunistischen Regierung auch heute noch in diesem Land dramatisch zu sehen und zu spüren. Fazit: Sehr sehenswert
    Kino:
    Anonymer User
    4,5
    Veröffentlicht am 28. September 2023
    Was der Leviathan für ein Fabelwesen ist, kann man googeln. Wie Regisseur Andrei Swjaginzew seinen Stoff unterfüttert, legt er zwar deutlich dar, ist aber nicht gleich für jeden nachvollziehbar. Um ihn voll und ganz zu verstehen, sollte man allerdings das Buch Hiob, sowie die titelgebende Schrift von John Hobbes (um1600) kennen und mit Michael Kohlhaas vertraut sein. Aber auch ohne davon belastet zu sein, beeindruckt der Film ungemein. Eine Landschaft, die durch ihre weite Unendlichkeit, die Korruptionsaffäre in der Nähe des Polarkreises fast vergessen lässt. Nikolai (Alexej Serebrjakow) verliert alles, was er hat und am Ende auch seine Freiheit. Daran ist er nicht ganz unschuldig. Es liegt an seinem Jähzorn und am Wodka, vielleicht auch an seiner Dickköpfigkeit. Und weil es in der Sowjetunion spielt, haben alle Westler sofort mit dem Finger darauf hingedeutet, dass das ja da so üblich sei: der korrupte Bürgermeister Wadim (Roman Madjanow) macht den kleinen Nikolai und seinen Freund und Anwalt Dmitri (Wladimir Wdowitschenkow) mit seinen ‘Kettenhunden‘ durch Einschüchterung und brachiale Gewalt. einfach platt.
    Die Idee zum Film kam Andrei Swjaginzew allerdings bei Dreharbeiten in den USA, wo sich eine ähnliche Geschichte ereignet hatte. Wohlgemerkt in Amerika!
    Tatsächlich weitet sich der Machtkampf zu einem Familiendrama aus, das so auch unabhängig vom herrschenden politischen System überall geschehen kann. Und dieses zweite Standbein des Films ist ebenso stark wie das erste. Hier überzeugt am meisten Ehefrau Lilia (Jelena Ljadowa), die beide Problemkreise in ihrer Person verbindet. Eine großartige Dramaturgie, die eine gewisse Anlaufzeit braucht, vor eindrucksvoller Kulisse verdient einen Oscar. Bemerkenswert ist, welche wichtigen Teile der Handlung nicht ins Bild kommen, lange offen bleiben und so Spannung erzeugen. Und die Kirche unterstützt wie immer die Machthaber vorbehaltlos!
    Erschreckend die Reaktion von Putins Kultusminister Wladimir Medinski, der den Film als russlandfeindliches Machwerk abtat und verbieten lassen will.
    Christian Alexander Z.
    Christian Alexander Z.

    143 Follower 776 Kritiken User folgen

    5,0
    Veröffentlicht am 30. September 2023
    Packendes Polit-, Sozial- und etwas Liebes- drama. Ich würde den Film in seiner düsteren Grundhaltung als "Russischen Neorealismus" in Anlehnung an Vittorio De Sicas Werk charakterisieren. Fein gezeichnete Figuren, ein Cast, der treffender nicht hätte sein können und zur opulenten Bildgewalt kommt eine starke Musik die sehr an Philp Glass erinnert. Das ist sehr wenig Vergnügen, aber ein lohnendes, sehr beeindruckendes Werk.
    Gringo93
    Gringo93

    330 Follower 429 Kritiken User folgen

    4,5
    Veröffentlicht am 31. August 2016
    Fazit: Ein absolut packendes Drama aus Russland. Die Atmosphäre ist düster und die genial geschriebenen Figuren wirken unheimlich glaubwürdig.
    FILMGENUSS
    FILMGENUSS

    708 Follower 942 Kritiken User folgen

    3,0
    Veröffentlicht am 11. September 2020
    HIOB LÄSST SICH GEHEN
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Du bist der Fels, auf dem ich meine Kirche baue. Das soll damals, wenn man den Überlieferungen glaubt, Jesus zu Petrus gesagt haben. Petrus hat diese Bürde dankend angenommen. Anderen gefällt dieses Gleichnis weniger. Zum Beispiel Kolia, dem Vater eines Sohnes und Erbe eines stattlichen Holzhauses an der Küste der Barentssee. Ein herrliches Fleckchen Erde mit Rundblick bis hinaus auf den fernen Horizont, umgeben von Felsen und Wellen, hinter einer Brücke geht die Kleinstadt erst weiter. Das Häuschen selbst bietet angenehm rustikalen Komfort, hat große Fenster – moderner Landstil, wenn man so will. Da lässt sichs leben. Das weiß auch der Bürgermeister der Gemeinde, und das weiß auch die russisch-orthodoxe Kirche, die dort, an diesem exponierten Plätzchen, eine Kirche bauen will. Der richtige Fels also. Nur blöd, dass Kolia dort lebt. Der Bürgermeister wird’s hoffentlich richten, oder? Damit es den Mächtigen schmeckt. Fällt sicher was für den feisten Herren etwas ab. Kolia muss also seinen Besitz veräußern, ob er will oder nicht. Doch der hat zufällig einen Freund in Moskau, der Anwalt ist. Mit ihm zieht er vor Gericht, bringt ans Licht, was der Machtmensch des Ortes sonst noch für Dreck am Stecken hat. Doch der liebe Gott meint es nicht gut mit Kolia, der den dem Wodka zugeneigten Mechaniker so dermaßen auf die Probe stellt, dass man als Mensch eigentlich nur verlieren kann. Wenn man nicht ein Machtmonster wie der Bürgermeister ist.

    Leviathan, das ist doch ein Seeungeheuer aus der christlich-jüdischen Mythologie? In einer Szene des Films zitiert ein Geistlicher im Gespräch mit Kolia aus dem Buch Hiob, um klarzumachen, dass sich ein Kampf mit dem Monster bei Weitem nicht lohnt. Das Monster, das sind die Mächtigen, ein ungreifbares und unangreifbares Ungetüm, bestückt mit zahlreichen Gliedmaßen, fast schon einer Hydra gleich. Bezwingen lässt sich das nicht. Der kleine Mann kann hierbei nur verlieren, es sei denn, er findet Halt im Glauben. Doch letzten Endes ist es die Institution des Glaubens, die den armen Trinker verrät – und ihm alles nimmt. Erbauliches Kino ist das keines, viel eher bitterer Filmrealismus, in welcher sich das Tragische zuspitzt wie sonst nur in klassischen Tragödien. Jim Sheridans themenverwandtes Enteignungsdrama Das Feld ist von ähnlich epischer Tragweite, auch Das Haus aus Sand und Nebel mit Ben Kingsley und Jennifer Connelly kennt die destruktive Dynamik von Existenzverlust und freiem sozialem Fall.

    Der Wodka, der fließt dabei in Strömen und feiert den heulenden Niedergang. Wenn die monströsen Zähne der Baggerschaufel in die häusliche Geborgenheit der heiligen vier Wände einschlagen und diese niederreißen, dann sind das die schmerzlichsten, wie auch stärksten Szenen des Films. Andrey Zvyagintsev entzieht der Kirche und den Mitmenschen das Vertrauen. Der Politik sowieso. Nur der Glaube könnte ihn noch retten, doch anders als bei Hiob ist dieser bei Kolia nur peripher bis gar nichtvorhanden. Der einzige Freund, der noch bleibt, das ist der Kartoffelschnaps. Worauf also will Zyvagintsev hinaus? Was für mich übrig bleibt, ist ein Klagelied auf alles Mögliche (sogar auf den Alkohol), was, so lässt es sich vermuten, in Russland im Argen liegt. Wie kann es anders sein, in einem Land, in dem die Mächtigen gefühlt auf ewig mächtig bleiben wollen? Das ganze Land scheint wie ein diffuser Leviathan zu sein, so zumindest illustriert es dieser Film, dessen prädestinierter Abwärtstrend nicht aufwühlt, aber in seltsam phlegmatischer Resignation zurücklässt.
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