Die heutige Kinolandschaft wird zu einem Großteil von Werken geprägt, welche unterhaltsame Spektakel bieten sollen, um die Sehgewohnheiten des Publikums zu befriedigen und deren Durst nach immer irrwitzigerem Bombast zu stillen. Machwerke wie die Actionstreifen des „Transformers“-Franchise können nach wie vor nennenswerte Zuschauerzahlen verzeichnen, auch wenn der künstlerische Anspruch dabei immer wieder auf der Strecke bleibt. Für alle, die sich dennoch oder genau deswegen nach Filmen sehnen, welche sich nicht diesem Trend hingeben, wird der neue Film des Arthouse-Regisseurs Jim Jarmush eine willkommene Abwechslung bieten.
Der Schöpfer von verschrobenen Werken wie „Ghost Dog“, „Broken Flowers“ und „Only Lovers Left Alive“ kreierte mit seiner Tragikomödie „Paterson“ eine lyrische Ode an den Alltag, die Liebe und das Leben an sich, welche zurecht dafür auf dem Filmfestival von Cannes eine Nominierung für die Goldene Palme erhielt.
Der Film schildert eine Woche im Leben des Busfahrers Paterson (Adam Driver), welcher in der gleichnamigen Stadt in New Jersey mit seiner Freundin Laura (Golshifteh Farahani) und deren Hund Marvin lebt. Der Tagesablauf von Paterson beinhaltet mehr oder minder immer die selbe Routine: Paterson steht früh morgens auf, geht zur Arbeit, lauscht bei der Arbeit den Geschichten der Fahrgäste, schreibt in seiner freien Zeit Gedichte, geht am Abend mit dem Hund spazieren und trinkt ein Bier in einer Bar, in welcher es zu unterschiedlichen Begegnungen kommt...
Die Poesie des Alltags mit all seinen Details
Der Plot klingt nicht gerade nach einer spannungsgeladenen Erzählung und Jarmush schert sich wie gewohnt auch nicht um konventionelle Dramaturgie. Stattdessen besticht „Paterson“ durch ganz andere Aspekte und gerade die scheinbar unspektakuläre, jedoch liebevolle Inszenierung schafft Raum für eine nähere Betrachtung wichtiger Elemente in Patersons Leben. Kleine Details, die während des hektischen Alltags oft übersehen werden, finden hier eine besondere Bedeutung. So werden bei Paterson durch das eingehende Begutachten einer Streichholzschachtel Assoziationen für eines seiner bewegenden Gedichte geweckt. Diese Gedichte, inspiriert vom Dichter William Carlos Williams, werden immer wieder durch Texttafeln visualisiert und von Patersons Stimme aus dem Off vorgetragen. Deren Struktur ist ebenso minimalistisch gewoben wie die des Filmes. Jedoch gerade eine solche Form der Reduktion auf das Wesentliche verleiht dem Film eine besondere Ausdruckskraft. Der Fokus wird hierbei immer wieder auf vermeintlich unwichtige Details und Routinetätigkeiten des täglichen Lebens gerichtet, welchen in „Paterson“ jedoch ein wichtiger Charakter zugesprochen wird, dem Beachtung gebührt.
Kameramann Frederick Elmes, der neben Jarmush auch oft mit David Lynch oder Ang Lee zusammenarbeitete, fängt den Tagesablauf von Paterson in Bildern ein, die nur auf den ersten Blick unaufregend wirken, jedoch nach und nach in Kombination mit der hypnotischen Musik von Carter Logan eine einzigartige melancholische Atmosphäre kreieren, derer man sich nur schwer entziehen kann.
Die in dem Film dargestellten Situationen zeugen nicht von theatralischer, sondern von leiser und authentischer Dramatik. Diese wird begleitet von feinem, unaufdringlichen Humor, wodurch sich nie ein Gefühl von Schwere entfaltet.
Manch einer wird an dieser Machart der betont unspektakulären Inszenierung und dem Mangel an Handlung keinen Gefallen finden. Der Film fordert den Betrachter heraus, sich auf ihn einzulassen. Ob der Film aufgrund dieser drastischen dramaturgischen Knappheit als langweilig oder aber wegen seiner eindrucksvollen Atmosphäre als einnehmend empfunden wird, hängt stark vom Betrachter ab.
Der Trumpf des Minimalismus
In den Gedichtzeilen des sonst wenig mitteilsamen Paterson zeigen sich dessen wahren Emotionen. Hier offenbart sich sein gesamtes Gefühlsleben und der Zuschauer erfährt, wie sehr er sein Leben und seine Beziehung zu Laura zu schätzen weiß. Somit wird Paterson zum Sinnbild des fleißigen, genügsamen Jedermann. Adam Driver („Marriage Story“) besticht hierbei durch eine famos unaufdringliche und reduzierte Performance. Ebenso überzeugt die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani, deren quirlige Laura im Gegensatz zu Paterson eine hemmungslose Träumerin darstellt und sich scheinbar täglich neuen Zukunftsplänen hingibt.
Die Menschen, denen Paterson beim Busfahren lauscht, erzählen lebensnahe Geschichten, welche deren innere Wünsche preisgeben, jedoch auch deren Unvermögen diese zu erreichen.
Manche Elemente irritieren, beispielsweise tauchen im Film immer wieder Zwillingspaare auf. Ob diese nun als Sinnbild der Repetition im Alltagsleben oder schlicht als Kuriosum dienen, wird nicht klar und muss es auch nicht. Jarmushs Werk lässt Spielraum zum Nachsinnen, verweigert sich jedoch glücklicherweise einer Erklärung seiner Symbole.
Fazit:
Jarmush schuf mit „Paterson“ eine ebenso unaufgeregte wie poetische Ode an das Leben selbst, welche vor allem durch seine minimalistische, lyrische Struktur besticht und den Betrachter in seinen Bann zieht.