Das erste, was meine Aufmerksamkeit an Sicario erweckte, war die Tatsache, dass der Film von Denis Villeneuve gedreht wurde. Dem Regisseur von Prisoners, der für mich einer der besten Thriller der letzten Jahre ist, vor allem wegen seiner unglaublich spannenden Geschichte, die einen bis zur letzten Sekunde fesselt. Selten habe ich in einem Film so sehr mitgefiebert, wer denn nun der Schuldige ist. Und auch die schauspielerischen Leistungen von Hugh Jackman und besonders von Jake Gyllenhaal waren herausragend. Somit waren meine Erwartungen an Sicario sehr hoch. Dass dann noch dazu Emily Blunt, Josh Brolin und Benicio del Toro die Hauprollen übernahmen trug auch noch einen großen Teil an Vorfreude bei. Im Großen und Ganzen kann man auch sagen, dass Villeneuve, was die Atmosphäre betrifft, sehr wohl an die Qualität von Prisoners anschließen kann. Dafür schwächelt der Film leider an einer anderen, nicht insignifikanten Stelle.
Die Handlung des Films dreht sich um die FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt), die sich freiwillig für eine Task Force meldet, geleitet von Matt Graver (Josh Brolin) und dem geheimnisvollen Alejandro Gillick (Benicio del Toro), dessen Ziel es ist, einen Drogenbaron in Mexico ausfindig zu machen und die dabei, zu Macers großem Missfallen, auch nicht vor illegalen Methoden zurückschrecken. Und nach und nach beginnt sie, den eigentlichen Grund der Operation zu erfahren.
Das hört sich eigentlich schon einmal nach einer interessanten Ausgangsituation an, und ist es anfangs auch. Wenn das Team dann zum ersten Mal im Konvoi die Grenze zu Mexico überquert, aufgenommen durch gewaltig wirkende Bilder aus einem Helikopter und sich vor dem Zuschauer nach und nach die Stadt Juárez auftut, dann wirkt das schon sehr bedrohlich. Der dezent aber immer im richtigen Moment eingesetzte Soundtrack trägt sein Übriges dazu bei und lässt alles noch einmal doppelt so einschüchternd wirken. Immer mehr steigt der Druck bis zur ersten Eskalation der Lage, man ist richtig froh, wenn der erste Abstecher nach Mexico dann endlich vorbei ist. Und solche Momente gibt es zur Genüge in Sicario. Den Puls des Zuschauers in die Höhe zu jagen scheint Villeneuve nicht schwer zu fallen. Auch der Nachteinsatz etwas später im Film, der mit seinen Nachtsichtaufnahmen und dem schwer bewaffneten Team stark an die Stürmung von Osama bin Ladens Haus in Zero Dark Thirty erinnert, stellt das eindrucksvoll unter Beweis. All das dargestellt in wirklich beeindruckenden Bildern. Ob aus der Luft oder durch ein Nachtsichtgerät – Kameramann Roger Deakins fängt die Atmosphäre perfekt ein.
Das eigentliche Problem des Films findet sich woanders. Denn wo ein Prisoners auch mit einem spannenden Drehbuch auftrumpfen konnte, muss sich Sicario einige Schwächen eingestehen. Das beginnt schon mit der Hauptfigur, die beinahe keinen Einfluss auf die Geschehnisse der Handlung hat. Sie versucht es zwar immer wieder, bleibt jedoch erfolglos. Die eigentlichen Hauptakteure dieser Geschichte sind Graver und Gillick, von denen Graver allerding fast gänzlich unbeleuchtet bleibt und Gillick auch nicht die Aufmerksam zuteilwird, die er verdient hätte. So hat man immer diesen faden Beigeschmack, dass der Focus auf die falschen Personen gelegt wurde. Doch noch weniger Erwähnung findet ihr bis zum Schluss unsichtbarer Gegenspieler. Man weiß nur, dass es ein böser Drogenbaron ist, der beseitigt werden muss. Das ist alles. Und so kann man auch nicht so recht nachvollziehen, warum dieser Drogenbaron denn nun so wichtig ist. Ja, er ist halt böse und mächtig und so – das trifft aber auf die meisten Film-Bösewichte zu und lässt ihn ziemlich blass wirken. Und so verliert der Film einiges an Spannung. Es fehlt einfach ein starker Gegenspieler und im letzten Drittel hat man das Gefühl, dass die Hauptfigur plötzlich zu einem Nebencharakter degradiert wurde.
So bleibt am Ende ein Film, der eine bemerkenswert beklemmende Atmosphäre kreiert durch seine unglaublichen Bilder und einen sparsam aber überlegt eingesetzten Soundtrack, ein Film, der einen tollen Cast bietet, aber leider auch ein Film, dessen Drehbuch einige Schwachstellen hat und ihm somit sehr viel seiner Spannung raubt. Nichtsdestotrotz ist Sicario einer der besten Filme der letzten Monate und einen Kinobesuch wert.