In Städten wie Berlin wird es gerade für einkommensschwache Bewohner immer schwieriger, die steigenden - Kritiker sagen künstlich hochgetriebenen - Mieten zu bezahlen. Die Menschlichkeit und das Recht auf ein Zuhause bleiben im Kampf gegen rein wirtschaftlich agierende Immobilienspekulanten oft auf der Strecke. Die Dokumentarfilmer Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers begleiten in „Mietrebellen – Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt“ mehrere Aktivisten und Initiativen, die dagegen protestieren. Eine sachliche oder ausgewogene Dokumentation ist dabei eindeutig nicht das Ziel der Filmemacher. Es geht ihnen viel mehr um den emotionalen Appell, mitzukämpfen.
Ob Sozialbauten, deren staatliche Unterstützungsphase auslief, Begegnungsstätten für Senioren, die wegen zu hoher Kosten geschlossen werden sollen, oder die grassierende „Gentrifizierung“, bei der aus den Altbauwohnungen früherer „Problembezirke“ möglichst schnell Luxuswohnungen für neue, zahlungskräftigere Kunden werden sollen: Die Regisseure von „Mietrebellen“ schildern unterschiedlichste Problemfälle und die zunehmend abgestimmten Aktionen dagegen, wobei manche „Opfer“ zu Rädelsführern oder Märtyrern werden. Nuriye Cengiz, Rosemarie Fliess und Ali Gülbol sind drei der „unerwünschten“ Mieter, gegen deren bevorstehende Zwangsräumungen eine anwachsende Protestbewegung kämpft - nicht immer erfolgreich.
Der einen Zeitraum von etwa vier Jahren nachzeichnende Film beginnt mit der Beerdigung der Rentnerin Rosemarie Fliess, die nur wenige Tage nach ihrer Zwangsräumung in einer Kältehilfe verstarb. Erst nachdem man den Wut und die Trauer ihrer Mitstreiter erlebt hat, gibt es einen Sprung in der Zeit zurück und man sieht Bilder von Rosemarie, als sie noch hoffte, in ihrer Wohnung bleiben zu dürfen. Sie gehörte nicht zu den „typischen“ Demonstranten, sondern hätte vermutlich einer anderen Sprecherin beigepflichtet: „Warum wir alte Leute noch mal demonstrieren müssen, das ist mir wirklich ein Rätsel. Aber wir müssen. Wir werden eines Tages unter der Brücke schlafen müssen, weil wir unsere Miete nicht mehr bezahlen können.“
Auffallend ist das Spektrum der Aktionen: Senioren, die es sich nicht erträumt hätten, noch mal eine Hausbesetzung durchzuführen; Volksfeste und Lärmdemos, die oft auch einfach dazu beitragen sollen, dass man die Nachbarn kennenlernt, die mit denselben Problemen kämpfen; die direkten Konfrontationen mit der Polizei, wenn man den Hauseingang der von Zwangsräumung bedrohten Familie Gülbol schon frühmorgens sperrt oder einen Bus verfolgt und behindert, der die Teilnehmer der „Jahrestagung der deutschen Immobilienwirtschaft“ zum abendlichen Dinner in der Kulturbrauerei bringen soll.
„Fang den Bus“ ist so eine Aktion, mit der die Filmemacher ihre Subjektivität unterstreichen und viel Häme beim Zuschauer erzeugen. Da werden dann mit unverhohlener Schadenfreude Immobilienmakler gezeigt, die davon berichten, wie Polizisten „Anzugträgern vom Verlassen des Busses dringend abraten“. In einem eigens erstellten Video sieht man wie die Luxuskarossen an Demonstranten vorbeifahren. Mit Bildbearbeitung wird der gewünschte Effekt verstärkt, wird doch jeweils per Pfeil verdeutlicht, wo die „Spekulanten“, „Politiker“ und „Investoren“ sitzen, ehe man sie dann auch außerhalb des Autos sieht. Dazu kommt dann auch noch ein Fadenkreuz, über welches per animiertem Farbbeutel ziemlich unmissverständlich eine Botschaft verbreitet wird.
Bei Diskussionsrunden mit Politikern wird die Bürgerwut klar als Tugend dargestellt, selbst der Mittelstand wird teilweise zum Feindbild erklärt. Aber die durch die Filmemacher repräsentierte Protestbewegung gibt sich nur selten eine Blöße. Eine zumindest ansatzweise argumentative Angriffsfläche wäre eine hübsche Überraschung gewesen - doch das wäre den erklärten Zielen des Films nicht zuträglich gewesen. Man kann davon ausgehen, dass das Zielpublikum des Films (zusammengefasste Kampfansage bei der Premiere: wir müssen den Film als „historisches Dokument“ in den Kinos halten!) sich nicht einmal daran stören wird, dass etwa die Tonabmischung manchmal mangelhaft ist. Denn es geht nicht um den Film, sondern um die Menschen.
Fazit: Rein filmisch überzeugt „Mietrebellen“ nicht immer. Die Dramaturgie und Chronologie verläuft auf seltsamen Pfaden, es fehlt an Stringenz, man sieht eine Menge Schlaglichter, aber oft vermisst man Zusammenhänge. Und Objektivität oder eine Abwägung unterschiedlicher Standpunkte ist nicht das Ziel der Filmemacher. Man will auf Missstände hinweisen und versteht sich als Teil der Protestbewegung - der Film ist in diesem Zusammenhang ein Mittel, um neue Mitstreiter zu motivieren. Als solches sollte er aber bei der Zielgruppe bestens funktionieren.