Wer heutzutage einen Film drehen will, der braucht längst kein Vermögen mehr, denn mit einem besseren Handy und einem Schnittprogramm auf dem Computer kann im Prinzip jeder eine DVD oder Blu-ray erstellen, die auf einem Filmfestival eine Karriere eröffnen könnte. So ähnlich erging es Nico Sommer, der nach einigen Kurz- und Dokumentarfilmen mit seinem minimal budgetierten Debüt-Spielfilm „Silvi“ im Berlinale-Ressort „Perspektive Deutsches Kino“ 2013 eine Premiere erlebte, die Festivalauftritte in 15 Ländern und einen regulären deutschen Kinostart nach sich zog. Der 1983 geborene Regisseur, dessen kleine Produktionsfirma sich für „komische Eigenwilligkeit, interessante Authentizität und originelle Hybridität“ einsetzt, lässt nun mit der Beziehungskomödie „Familienfieber“ einen weiteren „Improvisationsfilm“ folgen. Dabei bewegt er sich auf den Spuren von Andreas Dresen („Halbe Treppe“) - doch diese Schuhe sind ein paar Nummern zu groß für ihn.
Uwe (Peter Trabner) und Maja Roth (Kathrin Waligura, einst „Für alle Fälle Stefanie“) stecken in einer festgefahrenen Ehe. Plakatkleber Uwe hätte gern, dass seine Frau auf ihn stolz ist, begreift aber nicht, dass die Abwicklung seines „großen Geschäfts“ vor ihren Augen (ohne anschließendes Spülen oder Herunterklappen des Toilettendeckels) sein Anliegen nicht eben unterstützt. Bei Stefan (Jörg Witte) und Birgit Ohnsorg (Deborah Kaufmann) sieht es zumindest auf den ersten Blick besser aus, doch Birgit ist vom jovialen Tonfall ihres Gatten ähnlich genervt. Seit drei Monaten sind Alina (Anais Urban), die 17-jährige Tochter der Roths, und der zwei Jahre ältere Ohnsorg-Sprössling Nico (Jan Amazigh Sid) zusammen, deshalb sollen sich diese zumindest von der Herkunft und dem finanziellen Status sehr unterschiedlichen Familien nun bei einem vom jungen Liebespaar kredenzten Essen kennenlernen. Die Roths fahren dafür von Berlin ins brandenburgische Stülpen, doch der Abend steht unter einem schlechten Stern, denn Maja und Stefan kennen sich bereits, haben sie doch seit vier Monaten eine Affäre...
Die Macher sind stolz darauf, ohne Fördergelder bestehen zu können und beziehen sich sogar auf die Regeln des dänischen „Dogma“-Manifests - doch dass man sich nicht nur den Handlungsaufbau des in Sachen Improvisationskino in Deutschland beispielhaften „Halbe Treppe“ ausleiht, sondern auch noch die Interview-Idee von dem Vorbild klaut (und nicht annähernd so gut und konsequent umsetzt), steht dem Film nicht gut zu Gesicht. Hier erscheinen die spielfreudigen Darsteller öfters mal genauso überfordert von der Situation wie die Figuren, die sie spielen. Die beiden Männer, zwischen denen sich immerhin eine nette Kumpelfreundschaft zu entwickeln scheint, als die sprichwörtliche Bombe hochgeht, lachen übertrieben, wenn sie nicht mehr weiterwissen – es sei denn, sie schreien wie bei einer Bergtherapie oder reißen büschelweise den Rasen des prächtigen „Ohnsorg“-Anwesen aus.
Wenn man mit vier Manuskriptseiten in sieben Tagen einen Film herunterkurbelt, bei dem alle Dialoge von den Darstellern stammen, kann natürlich durchaus so etwas wie Kino-Magie entstehen. Es muss aber nicht. Hier ist dem Material deutlich anzumerken, dass es weder im Vorfeld noch beim Dreh einen dramaturgischen Feinschliff gegeben hat, so sind auch die vermeintlichen „Überraschungen“ reichlich vorhersehbar. Außerdem wird durch die Montage zuweilen mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen, wenn die als „ehrliche Einblicke“ eingestreuten Interviews irreführende kausale Zusammenhänge suggerieren (zum Beispiel bei der zweiten Rasenszene oder einer aus unerfindlichen Gründen wiederholten Interviewstelle). Die disparaten Momente werden letztlich oft nur durch die Musik notdürftig zusammengehalten, was aber über die fehlende Substanz nicht hinwegtäuschen kann. Die ohnehin knappe Laufzeit von 78 Minuten kommt nur mit einem unnötigen Epilog, vielen Stimmungsmontagen und einem Nachspann mit Outtakes überhaupt zustande.
Das „Schweigen der Hilflosigkeit“, das des Öfteren die Situation der Filmfiguren verdeutlicht, wirkt hier manchmal repräsentativ für die ganze Produktion. „Komische Eigenwilligkeit“ trifft zu, doch von „interessanter Authentizität“ oder Originalität ist „Familienfieber“ recht weit entfernt. Zwar gibt es für jede schlimm vermurkste Improvisation auch wieder einen gelungenen Scherz (Uwe angetrunken: „Dieses Bett ist 250 Jahre alt und es hat Napoleon geschnitzt auf der Durchreise“) oder etwas, das so absurd und abgedreht ist, dass es zumindest zu amüsiertem Kopfschütteln animiert (Stefan versucht Helen Mirren zu imitieren), aber das reicht nicht für einen ganzen gelungenen Filmabend.
Fazit: Eine Low-Budget-Improvisations-Dramödie, die an den eigenen Ansprüchen scheitert.