Was ein Mörder glaubt ist seine Sache. Was man ihm glaubt eine ganz andere. Dieser auf einem wahren Fall beruhende Film packt ein Thema, das kaum kontroverser sein könnte, in einer brisanten Kombination am Schopf.
Jan-Josef Geissler (Lars Eidinger), ein verurteilter Mörder, will Theologie studieren. Und womöglich auch noch Pfarrer werden. Keine einfache Sache, der sich die Kirche, vertreten durch Ralf Remberg (Devid Striesow), den Referenten des Bischofs (Erwin Steinhauer), gegenüber sieht. Noch dazu will der angehende Prediger den offiziellen Segen der Kirche für sein Vorhaben. Daraufhin wird Remberg in die Haftanstalt geschickt, um sich wenigstens pro forma ein Bild von Geissler zu machen, bevor der Antrag abgelehnt wird. Kaum lernen sich die beiden näher kennen, ist sich Remberg seiner Sache nicht mehr so sicher. Dazu tragen nicht nur der scheinbar unerschütterliche Glaube und die seelsorgerlichen Qualitäten des Häftlings bei, sondern auch der unkonventionelle Gefängnispfarrer Klaus Spori (Götz Schubert). Auch die endlose Frage nach der wirklichen Schuld des Verurteilten steht immer wieder im Raum, denn er und sein Anwalt (Alexander Held) würden gerne eine erneute Anhörung zu dem Fall in Gang setzen, die ganz neue Erkenntnisse präsentieren soll.
Ein Stoff, wie geschaffen für ein ernstes öffentlich-rechtliches Fernsehdrama. Aber es bleibt nicht bei düsteren Bildern, betroffenem Nicken und einem auf Moll gestimmten Piano-Soundtrack. Der zugrunde liegende Konflikt enthält jede Menge Sprengstoff und verlangt reichlich Feingefühl, schon wenn man nicht zu schnell urteilen und begründen will. Regisseur und Drehbuchautor Thomas Berger geht es feinfühlig an: fast jeder kommt ausführlich zu Wort, darf sich erklären und bekommt eine recht deutliche Charakterzeichnung. Leider sind gerade die beiden Hauptcharaktere zuweilen ein wenig eindimensional. Lars Eidingers Geissler blickt aus kalten Augen auf seine Umgebung und wirkt in fast jeder Situation irgendwie durchtrieben. Vielleicht macht das die Knastluft. Die Stärke seines Charakters sind eindeutig die Dialoge, seine sonstige Reglosigkeit will auf den ersten Blick nicht so recht zu seinem eigentlich komplexer angelegten Charakter passen. Gelegentlich ahnt man etwas davon, dabei bleibt es aber auch. Devid Striesow ist als überaus fähiger Darsteller bekannt, betreibt hier aber teilweise das Gegenteil von Overacting. Seine Figur ist zunächst ein wenig zu sehr der blasse Kirchenmann, der von der bösen Welt nicht viel weiß oder wissen will. Umso erfreulicher gerät der Wandel seiner Figur in der zweiten Filmhälfte.
Einige entscheidende Nebenrollen sind dann aber so gut besetzt, dass man gerne dranbleibt. Gerade Götz Schubert, dessen Gefängnispfarrer seine Arbeit nicht nur freiwillig sondern auch noch gerne tut, selbst wenn er dabei mit einem Messer angegriffen wird, trägt viel zur Glaubwürdigkeit und ja, auch zum Humor der Films bei. Auch die Eltern von Opfer und Täter, die auf ihre eigene Art und Weise gelernt haben, mit dem Vorfall umzugehen und dann doch einsehen müssen, dass vielleicht doch manches anders gelaufen ist als sie bisher geglaubt haben, können überzeugen. Die gesamte Bandbreite an Emotionen kommt eindrucksvoll rüber und verdeutlicht, welche Auswirkungen die Tat Einzelner auf ihr jeweiliges Umfeld haben kann.
Auch wenn der Film die Vorlage eher grob zusammenfasst, ausschmückt und um einen nicht ganz unpassenden Krimi-Hintergrund erweitert, kommt der Grundgedanke dennoch gut zur Geltung. Die Grenzen werden ausgelotet, doch man bemüht sich keine zu einfachen Antworten zu finden. Ob Vergebung nun jedem gilt oder bei größeren Verbrechen eben nicht mehr gewährt oder zugesprochen werden kann bleibt eine Streitfrage.
Einige kleinere Bausteine, wie Rembergs Flirt mit der Tochter seines Gastgebers, dessen eigenwilliges Verhalten auch nur kurz am Rande abgehandelt wird, wären dafür nicht unbedingt nötig gewesen und schielen ein wenig zu sehr auf eine konventionelle Erzählweise. Der brave Schreibtischpastor brauchte wohl noch einen weiteren Gegenpart, damit der Film nicht zu geistlich wirkt. Wenn man darüber hinwegsehen kann, sind die knapp neunzig Minuten trotzdem eine wertvolle Erfahrung.
Darsteller: Devid Striesow, Lars Eidinger, Götz Schubert, Alexander Held, Erwin Steinhauer uvm.
Regie: Thomas Berger
Jahr: 2014
Label: Telepool / Gerth Medien
Laufzeit: ca. 88 min
FSK: ab 12 Jahren