Til Schweiger wird ja dieser Tage nicht müde klar Stellung in Sachen Flüchtlingspolitik zu beziehen. Da kann jeder von halten was er möchte, die Tatsache das er sich überhaupt engagiert ist aller Ehren Wert. Vor einem halben Jahr war die Lautstärke seiner Stimmer die gleiche, das Thema jedoch ein völlig anderes. Es ging um Alzheimer, das sich doch gefälligst jeder mal ein bisschen mehr damit beschäftigen solle und viele unnütze Vorurteile haben. Das mag stimmen, betrifft es einem nicht selbst schauen viele gerne mal weg. So oft er beteuert, sein neuster Werk "Honig im Kopf" sei absolut realistisch, ist das ganze für den Film an sich eigentlich gar nicht so relevant. Ob das ganze nun als Doktorarbeit, Kino Unterhaltung oder Mahnung gegen die Gesellschaft angesehen werden solle ist für das Comedy-Drama in erster Linie mal zweitrangig. Den bewertet man den Film als eigenständiges Medium, also Fiction, muss doch wieder mal die Erkenntnis herhalten das Schweiger zwar sehr gut reden und sich einsetzten kann, doch für 140 min(!) Kinounterhaltung reicht das ganze dann doch nicht aus....
Die Story ist schnell zusammengefasst. Der Vater von Niko (Til Schweiger, Keinorhasen) verliert seine Frau und zieht sich folglich immer weiter von der Familie zurück. Nur die Enkelin Tilda (Emma Schweiger, Zweiohrküken) hat Verständnis für ihren Opa Armandus (genial Dieter "Didi" Hallervorden), dessen Verhalten immer Merkwürdiger wird. Er vergisst ständig Dinge und wirkt zerstreut. Allen wird klar das es sich hier um Demenz halten muss. Selbst der Umzug auf das Anwesen seines Sohnes ändert nichts an dem Zustand, es wird sogar noch schlimmer. Er soll also ins Heim, was die Enkelin aber so gar nicht möchte und so entschließt sie mit ihm eine Reise zum Ort zu unternehmen, an dem sich die Großeltern kennen gelernt haben, nämlich Venedig....
Kommen wir erst einmal zum ganz großen Plus von Honig im Kopf. Das Schauspiel von Dieter Hallervorden ist schlicht eine Offenbarung. Er spielt mit Würde und viel Feingefühl diesen kranken, alten Menschen dem schlicht so langsam die Bücher in seinem regal herausfallen. Immer wieder spiegeln seine Augen tiefste Verwirrung und dennoch Lebenslust und Altersweisheit. In Hollywood wäre eine Oscar Nominierung dafür sicher denkbar. Emma Schweiger kauft man zwar nicht so ganz ab, das sie zwar scheinbar alles regeln kann und dennoch nicht mal weis das eine Zugfahrt nach Venedig Geld kostet, dennoch versprüht auch sie einen großartigen Charme und passt einfach zu Hallervorden. Schweiger selbst spielt merklich mit angezogener Handbremse, auch die anderen Akteure wie Jeanette Hain (Tatort) oder Katharina Thalbach (Rubinrot) überlassen den beiden Hauptprotagonisten das Feld, auch wenn Hain für mich die größte Charakterentwicklung durchmacht. Nicht immer glaubwürdig, aber dennoch interessant. Optisch ist das ganze irgendwo zwischen einem Werbespot für Chanel und einem Tatort angesiedet. Mit teilweise schnellen, nervigen Schnitten versucht Schweiger Tempo in jede noch so emotionale Szenen zu bringen, was ihnen teilweise völlig die Intensität nimmt. Der typische Sepia Look der von Hamburg bis Italien reicht kommt wie in Schweiger und auch Schweighöfer Filmen natürlich auch wieder vor und die Musik macht aus jeder noch so kleinen Szene großes Kino... Naja nur weil eine Kühlschrank Türe aufgeht muss sich das ganze nicht anhören, als würde Pretty Woman gerade Jack Dawson heiraten. Warum hier immer wieder mit dem Holzfäller Hammer auf die Tränendrüse gedrückt wird verstehe ich nicht ganz, ergibt sich doch die Emotionalität aus dem Thema an sich und dem tollen Schauspiel. So wird man das Gefühl nicht los, Schweiger macht hier vieles um einfach zu zeigen, das er mittlerweile das eine oder andere in Hollywood gelernt hat und das er es auch vorzeigen muss. Nur weil man aber von einem Ferrari redet heißt es noch nicht das man ihn auch fahren kann. Und so ist auch dieser Schweiger Film wieder so ein gewolltes Hollywood, was aber sehr weit davon entfernt ist. Die Landschaftsaufnahmen von Tirol und Venedig sind aber immerhin sehr hübsch anzuschauen und toll fotografiert.
Das Thema ist anspruchsvoll, die Schauspielleistungen reichen von Gänsehaut bis solide, die Regie und Kamera ist typtisch Schweiger und einfach Meinungssache, meinen Geschmack trifft das nach wie vor nicht. Die Laufzeit ist auch einfach zu lang geraten. Die Story hätte gernauso gut in knapp zwei Stunden erzählt werden können, dann wärde dem Film noch eine gewisse Kurzweiligkeit zu gute gekommen. So quält man sich teilweise durch ewig lange Szenen, die den Plot nicht voran treiben und sehr gewollt auf Tränendrüse gemacht sind. So gesellt sich "Honig im Kopf" irgendwo ins Mittelmaß Nirvana, sicher ist der Film teils rührend, lustig und unterhaltsam, doch für mehr reicht es meiner Meinung nach nicht.
Fazit: Honig im Kopf ist mit seinem Sepia Look und Musik Overkill wieder ein typischer Schweiger Film geworden, das Schauspiel von Hallervorden und der respektvolle Umgang mit dem Thema Alzheimer retten ihn letzten Endes ins Mittelmaß!