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    Schachnovelle
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    3,5
    Veröffentlicht am 26. September 2021
    ÜBERLEBEN IST EIN KÖNIGSSPIEL
    von Michael Grünwald / filmgenuss.com

    Einen Tag vor seinem Suizid brachte der nach Brasilien ausgewanderte Stefan Zweig sein letztes Manuskript zur Post, um es an seinen Verleger zu senden. Es handelte sich dabei um die Schachnovelle, dem knappen, intensiven Psychogramm eines Menschen, der mit allen ihm möglichen Mitteln dagegen ankämpft, gebrochen zu werden. Wenn man so will, ist das Buch nichts anderes als die Chronik einer psychischen Folterung, ein frühes Guantanamo, in welchem der Protagonist insofern gequält wird, indem ihm alles, was den menschlichen Geist am Leben erhält, entzogen wird. Wäre da nicht diese kleine Schachlektüre gewesen, hätte der im Buch als Dr. B bezeichnete Ich-Erzähler wohl seine Geheimnisse preisgeben müssen und hätte sich vermutlich der totalitären Gewalt gebeugt. So jedoch klammert sich der Gefangene statt an den lebensrettenden Strohhalm an zweiunddreißig Figuren, jeweils die Hälfte davon Schwarz und Weiß – und ackert das Büchlein von vorne bis hinten durch, erprobt Strategien und spielt gegen sich selbst. Zum Glück hat der Boden des Badezimmers quadratische Fliesen, und das Brot zur täglich gebrachten Suppe eignet sich wunderbar dafür, vom König bis zum Bauern all die Spielfiguren nachzubilden.

    Ein Klassiker, diese Schachnovelle. Spätestens in der Oberstufe ist dieses Buch Teil des Deutschunterrichts und seit den Sechzigern auch Teil des deutschen Filmschaffens, denn eine Aufbereitung mit Curd Jürgens und Mario Adorf gibt es bereits. Die hat allerdings brav nach Vorlage ihre Hausaufgaben gemacht. Philipp Stölzl (Nordwand, Der Medicus) war das zu wenig, vielleicht auch zu langweilig, eine Rahmenhandlung wie in der literarischen Vorlage zu schaffen, und in diese eine gedehnte Rückblende zu betten, die das Martyrium von Dr. B. präzise schildert. Stölzl bricht Rahmenhandlung – eine Schiffsfahrt nach New York, also ins Exil – und Rückblende auf, so als würde man zwei Kartendecks frisch entfolieren und miteinander vermischen. Die Isolation im Wiener Hotel Metropol ist keine Erinnerung mehr, sondern ein gegenwärtiger Ist-Zustand, während die Fahrt auf dem Ozeandampfer meinem Resümee nach genau das gleiche darstellt. Beides findet zur selben Zeit statt. Beides ist Realität und Imagination, ist Wahnsinn und nüchterne Betrachtung.

    Schachnovelle ist bei weitem kein herkömmlicher Geschichtsfilm, auch keine herkömmliche Verfilmung. Es lässt – bis auf die kurze Schlussszene – keinen anderen Blickwinkel zu außer jene subjektive Sicht des Gemarterten. Oliver Masucci, ehemals Hitler in Er ist wieder da oder zuletzt als Fassbinder, steigert sich in seine Rolle voller Inbrunst, Schweiß an der Stirn und wimmernder Verzweiflung. Dazwischen ab und an klare Gedanken, die eine neue Taktik fürs Überleben entwerfen. Masucci trägt den Film schauspielerisch im Alleingang, alle anderen sind Hirngespinst und begleitende Schatten gleichermaßen. Stölzls Interpretation des zeitlosen Manifests für das Unbeugsame gegen falsche Ideale gelingt es, die Zeit noch viel mehr einzukapseln und ad absurdum zu führen als Zweig selbst es getan hat. Natürlich sorgt dieses surreale Setting für Irritation und Verwirrung, erst sehr viel später ordnet sich das Gesehene zu einem schlüssigen Ganzen. Im Moment des Sehens jedoch fühlt man sich selbst in seiner Wahrnehmung hinters Licht geführt, und selbst der Stellenwert des Schachspiels ist ein wieder Erwarten deutlich geringerer, sodass sich rein aus der Geschichte nicht ableiten lässt, warum Dr. Josef Bartok so sehr die Perfektion des Spielens beherrscht.

    Der Geist ist das einzige, wohin sich ein Mensch, wenn sonst nichts mehr bleibt, zurückziehen kann. Stölzl zeigt, wie eng und ausweglos es selbst da werden kann.
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    Riecks-Filmkritiken
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    4,0
    Veröffentlicht am 23. September 2021
    Schach ist als das Königsspiel bekannt und wurde auch zuletzt immer wieder als solches inszeniert. So hat The Queen‘s Gambit zuletzt viele Menschen in seinen Bann gerissen, obwohl in der heutigen Zeit Schach scheinbar nicht mehr diese große Popularität besitzt. Mit dem hiesigen Film bezieht man sich ebenfalls auf dieses wundervolle Spiel und inszeniert die gleichnamige Novelle aus den 40er Jahren, die bereits 1960 erstmalig verfilmt wurde, neu. Hochklassig besetzt mit dem wohl derzeitig besten deutschen Schauspieler, Albrecht Schuch, sowie dem ebenfalls häufig gelobten Oliver Masucci, der sich bei mir im vergangenen Jahr nicht gerade beliebt gemacht hat, liefert und Regisseur Philipp Stölzl eine wirklich wunderbare Neuinterpretation, die nicht nur für deutsche Verhältnisse beeindruckend wirkt, sondern auch hervorragend auf dem internationalen Markt mithalten kann und sowohl in der Bildgestaltung als auch in der brillanten Schauspielerei aller Beteiligten punkten kann.

    Auch wenn die vielen bekannten Nebendarstellenden bereits abgenutzt und langweilig erscheinen, weil sie einfach in jedem deutschen Film zu sehen sind, können sie sich zumeist hier doch noch einmal in einer etwas anderen Darstellung beweisen als üblich. Ich war sowohl von der Story äußerst begeistert und mitgerissen, denn ja, ich kenne weder die Novelle noch den Film aus den 60er Jahren, als auch schließlich von der Art wie hier zwei Zeitebenen so geschickt miteinander verschmolzen werden und uns in die Irre führen, dass damit ein beeindruckender Höhepunkt kreiert werden konnte. Von daher gibt es von mir eine absolute Kinoempfehlung! Und ich spiele jetzt eine Runde Schach.

    Die gesamte Kritik gibt es auf https://riecks-filmkritiken.de/schachnovelle
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