Eine pessimistische verschneite Landschaft, Vögel gleiten vom Boden gen Himmel, und kurze Zeit später setzt ein infantiles Becken trommeln samt düsterer Posaune ein, die Innschrift "Der 8. Film von Quentin Tarantino" erscheint, dann schwenkt die Kamera auf eine Jesus Statue die in einer verschneiten Landschaft steht. Während die Darsteller Namen langsam durch das Bild laufen geht die Kamera ehrfurchtsvoll auf die Statue zu um dann kurz vor ihr halt zu machen und wieder nach hinten zu gleiten, während rechts unten im Bild langsam eine Kutsche im Schnee zu erkennen ist. Diese 5 Minütige Einleitung ist bereits besser als ganze Filme zusammen. Mit wenigen subtilen mitteln wird eine düster gruselige Stimmung erzeugt. Das ist große Klasse und erst der beginn von 165 herausragenden Minuten!
Eines vorweg. Wer mit Tarantino Filmen wie "Death Proof", "Pulp Fiction", "Jackie Brown" oder "Reservoir Dogs" nichts anfangen kann wird auch bei "The Hateful 8" keine Freude haben. Denn die Dialog und Details Lastigkeit wird hier noch auf die Spitze getrieben. Genau genommen gibt es nur zwei wirkliche Orte an denen sich das Geschehen abspielt. Eine Postkutsche und Minnies Kurzwarenladen, so eine Art Zwischenstopp für Reisende durch Wyoming. Die ersten beiden Kapitel spielen auch ausschließlich in dieser Kutsche, was viele "normale" Kinobesucher schon verwirren und langweilen sollte. Das kann ich durchaus verstehen, lässt man sich aber darauf ein ergeben sich auch hier wieder ein Dialog Feuerwerk sondergleichen. Die Szenerie wird von Samuel L. Jackson, Kurt Russel, Jennifer Jason Leagh und Walton Goggins beherrscht. Und während sich die Figuren kennen lernen,kommt der Zuschauer nicht nur in den Genuss von Dialog Salben sondern auch der Tarantino üblichen Gewalt und der Ausdruck des bösen Wortes das einen farbigen beschreiben soll wird überspitzt bis zum Siedepunkt. Mit Kapitel 3 verlagert sich das geschehen dann in die Hütte, wo man die anderen Darsteller zu Gesicht bekommt. Und wieder nimmt man sich viel Zeit die Figuren zu erklären, ihnen einen Backround zu geben und langsam die köchelnde Spannung voran zu treiben. Denn schnell kommt die Frage auf, wer steckt hier mit wem unter einer Decke und wer ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Quasi eine Cluedo Version von Tarantino. Und was für eine! Die ersten gut 95 Min werden nur von diesem Szenario erfüllt, so lange wie viele andere Spielfilme komplett gehen. Aber durch die Details, jeder Schnipsel auf der Leinwand wird von der Kamera mit Adler Augen eingefangen und für den Zuschauer interessant gemacht, auch unterbrechen immer wieder Running Gags die bedrückende Stimmung, etwa wenn der Character von Leagh, Daisy Domergue geschlagen wird und eine kaputte Türe spielt ebenso eine wiederkehrende lustige Rolle. Hat sich der Zuschauer dann erst einmal mit den Figuren vertraut gemacht, und glaubt zu wissen wie der Hase läuft eröffnet uns Sprecher Tarantino dann die zweite Hälfte des Films. Zuvor war eine so unglaubliche Geschichte von Jacksons Charakter erzählt worden, die auch noch Bildhaft dargestellt wurde, das ich es im Kino kaum glauben konnte, Wir erfahren was in letzten 15 Min passiert ist und auch die Sichtweise wird abermals etwas verändert. Was dann folgt ist die blutig, überzeichnete und typisch für Tarantino grotesk inszenierte Auflösung der Krimi Geschichte, die einem noch lange im Kopf bleibt, bis hin zur wohl denkwürdigsten Schluss Szene der jüngeren Kino Geschichte. Und auch der Auftritt eines bekannten Hollywood Stars, der in einem Kapitel die Hintergründe der Hateful 8 erläutert, erzielt seine durchaus seine gewünschte Wirkung...
Alles an diesem Film stinkt förmlich nach Reservoir Dogs. Ein paar dubiose Gestalten sind gezwungen eine Zeit lang in einem Raum zu verbringen und drehen nach und nach durch. Gestaltete sich das noch sehr kurzweilig in gerade einmal 96 Min dauert es hier eben so lange um die Story erst einmal richtig in Fahrt zu bringen. Drei Stunden hätte es natürlich nicht gebraucht um diese eigentlich recht simple gestrickte Rache Story zu erzählen, doch Tarantino hat sich noch nie an filmische Konventionen gehalten. Ihm geht es nicht um den Plot an sich, sondern um die Charaktere und was sie zu sagen haben.Und drum herum erschafft er ein Detailreichtum was für drei Filme reichen würde. Das gefällt natürlich nicht jedem Zuschauer, wie gesagt, das muss man mögen. Man kann sicherlich streiten, weshalb die Szenen immer wieder so in die Länge gezogen werden und sie letzten Endes doch wieder mit Gewalt aufgelöst werden. Hier scheiden sich die Geister, selbst unter den Tarantino Jüngern. Den sein 8. Film ist mit Sicherheit auch sein schwierigster. Und doch wieder etwas ganz eigenes. Zwar sind viele Essenzen seiner anderen Werke vorhanden, doch stilistisch grenzt er sich stark von beispielsweise "Django" ab, der deutlich massen-tauglicher war. Um so etwas zu machen, braucht es natürlich viele gute Leute drumherum. Die Kamera arbeit von Robert Richardsen (Kill Bill) überzeugt wieder mit großer Wandelbarkeit. Große Panorama Aufnahmen wechseln sich mit Kammerspiel Szenen ab, mal wird die Gewalt direkt und dann wieder indirekt gezeigt, und die Perspektive verändert sich stetig wie die Stimmung des Films. Die Musik von Legende Ennio Morricone ist so ungewohnt und doch pulsiert jeder Zeit die Ader von Morricone durch sie hindurch. Posaunen und Trompeten verkünden anfangs etwas unheilvolles, gen Ende setzten dann gar noch Geigen und ein unheilvoller Chor mit ein, der auch aus einem Psycho Thriller stammen könnte. Geniale Musik, zu recht für einen Oscar nominiert. Ausstattung und Kostüme passen in die Zeit um 1820 und sind immer bestens an die Figur und den Ort angepasst. Die größte Rolle spielen hier die wichtigste Rolle, ohne sie würde so ein Film niemals funktionieren, und alle glänzen bis auf wenige Ausnahmen. Kurt Russel spielt den Henker als eine Art störrischen Texaner, Damion Blair ist ebenso eins mit seiner Figur wie Veteran Bruce Dern, der allerdings nicht so viel zu tun bekommt. Tim Roth ist als Engländer Oswaldo schon fast zu sehr Christoph Waltz in seiner süffisanten Art zu sprechen. James Park als Kutscher O.B ist für die meisten Running Gags zuständig. Michael Madson sieht man an das er schon lange nicht mehr in einer großen Produktion zu sehen war, fast schon lust los nuschelt er seine Texte raus. Die drei Stars des Films sind aber andere. Zum einen ist Walter Goggins als neuer Scheriff von Red Rock, eine quassel Strippe die sich für lustig hält, eine erfrischende Performance. Jennifer Jason Leagh als Daisy Domergue, die gehängt werden soll, liefert eine geniale Leistung ab, sie grinst immer wieder perfide durch ihr immer mehr verunstaltetes Gesicht, sie schreit und kreischt und gen Ende wird sie sogar richtig dämonisch. Der Star ist aber eindeutig Samuel L .Jackson, der die größte Entwicklung durchmacht. Anfangs als erfrierender Kopfgeldjäger in den Wäldern unterwegs, ist er für die überraschenden, perversen und brutalen Szenen zuständig, und sogar mit einem großen männlichen Handycap (wer den Film gesehen hat weis was ich mein) lacht er sich bei bestimmten Ereignissen so dreckig ins Fäustchen, das es schon fast gruselt. Auch der besagte unerwartete Gast macht seine Sache wirklich sehr gut und zeigt das er durchaus auch mal eine strange Rolle spielen kann.
Wie ist "The Hateful eight" nun im Gesamtwerk von Quentin Tarantino einzuordnen. Viele Kritiker waren nicht so begeistert wie sonst, es gab sogar einen echten Aufräger,nämlich keine Drehbuch Oscar Nominierung, und auch die Fans sind dieses mal sehr gespalten. So kann ich verstehen wenn sich Leute zu Tode langweilen werden oder nicht verstehen warum dieser Film so unendlich lang sein muss. Ich kann da nur von meiner Warte aus sprechen. Für mich war die Länge perfekt, und zu keiner Zeit hatte er für mich längen. Ich fühlte mich bei jeder Szene bestens unterhalten, wenngleich es auch bei mir ein paar Dialoge oder Bilder gab die etwas zu ausufernd waren. Außerdem unterteil sich der Film in zwei sehr unterschiedliche Filmhälften, und der Plot Spannungsbogen nimmt erst in der zweiten Hälfte richtig an Fahrt auf und endet in einem echten Gemetzel. Trotz, oder gerade deswegen harmonieren beide Seiten prächtig. Endlich nimmt sich ein Filmemacher mal Zeit seine Figuren richtig einzuführen, und dem ganzen Geschehen Tiefe zu verleihen. Und auch wenn eine Story über den ganzen Erdball verteilt spielt, bleiben die Figuren meist un-inspirierte Abziehbilder. Im Gesamtbild ist aber "The hateful 8" sicher nicht der beste Film von Tarantino, aber gewiss auch nicht der schlechteste. Das Niveau ist wie immer erschreckend hoch, und wie alle seine 7 Vorgänger hat auch dieser hier einfach wieder seinen ganz eigenen, groovy Charme. Zum Meisterwerk reicht es leider nicht ganz, da der Plot doch etwas zu sperrlich ist und ein paar Minuten weniger die Spannung sicherlich nicht kaputt gemacht hätten. Auch erreicht er nicht ganz die erzählerisch epische Tragweite wie ein Pulp Fiction oder Django, und die Dialoge sind trotz ihrer Genialität diesmal nicht immer so Popkultur wichtig und einzigartig.
Fazit: The Hateful eight ist ein waschechter und dennoch ganz eigener Tarantino Film. Lange irrwitzige Dialoge, Gewalt, Blut und die typischen überzeichneten Charaktere machen ihn zu einem herausragenden Erlebnis für alle Sinne. Am Plot werden sich die Geister scheiden, ebenso an der Länge, für mich war genau das absolut zufriedenstellend!