"High-Rise" von Tom Wheatley hätte ein richtig guter Film werden können, doch leider wurde das Potenzial kaum ausgeschöpft. Die Idee ist super - allerdings ist das nicht wirklich Verdienst des Films, da die Idee, Handlung und Inhalt auf einer Romanvorlage beruhen. Aber im Prinzip ist das spannend, ein Hochhaus als Allegorie auf unsere kapitalistische Gesellschaft zu nehmen, wo die Oberschicht oben in schicken Penthouses logiert, die Mittelschicht in den mittleren Stockwerken und die Unterschicht (zu der auch Familien mit Kindern gehören) in den unteren Stockwerken. Interessant ist es außerdem, diese Ordnung erst zu etablieren und dann zu zerstören. Das passiert zwar in dem Film, aber so schnell und plötzlich von Null auf Hundert, dass man als Zuschauer Mühe hat zu erkennen, wie es sich dazu entwickelt hat. Ein paar Ereignisse kündigen den Aufstand der unteren Stockwerke schon an, der Strom fällt aus, einer der Bewohner versucht, sich als Rebellenführer und Revolutionär zu behaupten und die anderen "Unterschichtler" anzustacheln, die Spannungen steigen und die "Oberschichtler" schmieden Pläne, wie sie die Bewohner der unteren Stockwerke unterdrücken können ...
Aber dabei stimmen Rhythmus, Timing, Informationsverteilung und die Spannungskurve nicht. Man ist noch kaum in den Film eingestiegen, hat die bestehende Ordnung und welche Figur wohin gehört einigermaßen begriffen, da bricht auch schon das totale Chaos aus, das - was Chaos ja so an sich hat - jede Struktur zerstört. Dadurch wird die Handlung konfus, unpräzise und beliebig. Nichts ist mehr von Bedeutung - und natürlich kann man sich hinstellen und behaupten, genau das sei dann ja wohl die Absicht und Botschaft des Films. Aber das finde ich bescheuert, da kann ja jeder kommen, irgendeinen Scheiß hinrotzen und hinterher herumtröten, das solle so und das sei Kunst und wer das nicht verstehe, der sei nun mal eben ein Kretin und könne sich ja ruhig weiter mit hirnloser Unterhaltung berieseln lassen. Das soll nicht heißen, dass "High-Rise" hingerotzter Scheiß ist - dafür sind die Schauspieler, die mise en scène, der Soundtrack und die Dialoge zu gut -, aber es ist ärgerlich, dass die Dramaturgie nicht konsequenter, exakter und entschlossener gelungen ist. Dadurch wird der Film tatsächlich einfach beliebig, egal, man verlässt das Kino in etwa so, wie man gekommen ist - man hat sich weder über einen grauenhaft schlechten Schinken geärgert, noch wurde man von einem genialen Kunstwerk fasziniert oder von einer klugen Gesellschaftssatire gleichzeitig amüsiert und zum Nachdenken angeregt. Und gerade für Letzteres hätte es viele Möglichkeiten gegeben, wenn man bei der Handlungsentwicklung nicht so geschludert hätte.
Fazit: Verschenkte Gelegenheit, schade. Vielleicht lese ich bei Gelegenheit mal das Buch, dann verstehe ich vielleicht auch besser, was genau die Rolle dieses Arztes ist (unbeteiligter Zeuge/Chronist?
Zünglein an der Waage, der mit seinen wenigen Handlungen die Stimmung kippen lässt? Usurpator, der nur auf die Gelegenheit wartet, einen Putsch in Gang zu bringen und sich selbst an die Spitze zu setzen?
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