Dan Gilroy's "Nightcrawler" gilt als einer der Highlights des Jahres, auch weil er ja trotz der Präsenz von Jake Gyllenhaal und der ungewöhnlich hohen Anzahl an Kinos, in denen er aufgeführt ist, aufgrund seines "Film noir" – Charakter eher in der Independent – Sparte anzutreffen war und dort zum "Drive" des Jahres stilisiert wurde.
Ein Film aus der Rubrik "Endlich was Neues aus diesem blockbusterverseuchten Amerika", zumindest aus Sicht selbst ernannter Feingeister, Cineasten und Hippster.
Und "Nightcrawler" funktioniert auch demensprechend, vor allem aber ist er soweit eigenständig, dass ihm ein "Film so ähnlich wie" – Gerede nicht anzuhängen braucht. Dennoch ist vieles an "Nightcrawler" zu unaufregend und kann nicht von atmosphärischen Versäumnissen oder Oberflächlichkeiten hinwegtäuschen.
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Im Zentrum steht hier Lou, der "Maniac", eine wirklich unangenehme, fast schon angsteinflössende Persönlichkeit, dessen Wahnsinn in wohldosierten Portionen immer weiter an die Oberfläche gelangt. Gilroy bedient sich hier eines wirkungsvollen Tricks. Direkt zu Beginn zeigt der vom fantastischen Jake Gyllenhaal verkörperte Lou, welches Gefahrenpotential in ihm liegt, indem er einen Unbekannten überraschend überwältigt und scheinbar gewaltätig außer Kraft setzt. Gilroy schwengt kurz vor einer aufklärenden Situation weg und offenbart dem Zuschauer damit einen Psychopathen, mit dem innerhalb des Films als tickende Zeitbombe zu rechnen ist. Gilroy kann nun variieren, wann er ihn "einsetzt", die Spannung der Unberechenbarkeit ist ihm bis zum Schluss sicher.
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Augenzwinkernd spielt Gilroy mit der Idee, wo ein Gemeingefährlicher wie Lou arbeiten kann: Im Sensationsjournalismus. Durch eine zufällige Begegnung an einem Unfallort findet Lou seine Bestimmung und beginnt sein Unternehmen. Seine Motivation ist enorm, er stellt mittels seiner rhetorisch weit überlegenden Fähigkeiten Arbeiter ein, die ihm wie Lakaien unterworfen sind, wickelt Höhergestellte locker um den Finger und setzt ohne Rücksicht auf Verluste Konkurrenten Schachmatt. Gilroy's Drehbuch arbeitet hier sehr genau, aber vor allem mit geschliffenen Dialogen der überwältigenden Überredungskünsten Lous und einem Hauch Zynismus.
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So sehr ihm die faszinierende Figur Lou gelingt, so wenig beachtet Gilroy sein Umfeld. Die Figuren um Lou herum sind Marionetten, die scheinbar keine klaren Ziele verfolgen oder mit ihrem Ehrgeiz dem aufopfernden Irren unterlegen sind. Lediglich Riz Ahmed's Rick fordert gegen Ende Ansprüche an, die anderen hängen ein wenig in der Luft, der unterworfenen Chefredakteurin Nina bietet zumindest Kollege Frank Kruse Hilfe, indem er warnt, steht dem Übel in Gestalt Lou's aber auch hoffnungslos gegenüber.
Die fehlende ausbrechende Intensivierung, die "Nightcrawler" hier allerdings hätte ereilen können, nagt dadurch über den ganzen Film hinweg. Das spürbare Gefühl der Gefahr verfliegt im Laufe des Films trotz des in Szene gerückten, gewalttätigen Potentials Lous zu Beginn.
Was Gilroy hier schafft, ist über weite Teile aufrüttelnde Doku – Arbeit in Spielfilmform: Lou ist ein getriebener Irrer, der in einer nicht zu unterschätzenden Nachrichten – Nische relativ schnell und gut Fuß findet. Ja, das ist beunruhigend, aber das nutzt dem Film nicht immer.
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Das ist ein wenig das Hauptproblem von "Nightcrawler", denn an dieser Stelle gelangt der Film zu dem Punkt, an dem der Regisseur mit stilistischen Mitteln sein Potential zur Meisterleistung unter Beweis stellen kann.
Aber hier ist leider vieles lauwarm. James Newton Howard's Theme ist trocken, er erlaubt sich keine waghalsigen Ausbrüche in genrespezifische Gefilde oder an das Film Noir angelegte Track – Sammlungen, lediglich der Creditsong ist sehr interessant und in Bezug auf das vorher Gesehene eine Überraschung. So hätte sich auch der Film anhören sollen. Schade. Ebenso bedauerlich ist die zwar schön choreographierte Kameraarbeit, aber auch hier leidet "Nightcrawler" ein wenig unter Inspirationsarmut. Letztlich ist Gilroy's Inszenierung im Gesamtpaket zu geradlinig, zu wag- und mutlos und einfach ein wenig zu blockbustertauglich.
Am Schluss gelangt dann aber doch wieder etwas mitreißende Spannung in Gilroy's Film. Und auch zum Schluss gibt der Regie – Debütant seinem Publikum einen augenzwinkernden Warnhinweis.
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Fazit: Dan Gilroy's erster Film bietet den herausragend spielenden "Nightcrawler" Jake Gyllenhaal in Karrierebestleistung und mit angsteinflössend dunklen Augen (Meine Fresse, da hat das Makeup aber gute Arbeit geleistet), in einem höchst interessanten aber leider viel zu fad inszenierten und wenig angsteinflössenden Film, der dann eben doch Längen hat.