David Leitch und Chad Stahelski, bisher mehr als Stunt-Koordinatoren und Second-Unit-Regisseure bekannt, haben den Action-Thriller „John Wick“ geschaffen.
John Wick (Keanu Reeves) hat sich wegen der Beziehung zu Helen (Bridget Moynahan) aus dem Auftragsmördergeschäft in New York City zurückgezogen und ist nun Witwer. Helen schenkt ihm posthum einen Hund. Üble Gestalten mit Verbindung zur russischen Mafia töten den Hund und stehlen seinen 69er Ford Mustang. Einer von ihnen ist der Sohn von Gangsterboss Viggo Tarasov (Michael Nyqvist), der ehemalige Auftraggeber von John Wick. Es gibt nur eine Lösung: Rache.
Der Film hat diese Regisseure nötig gehabt. So stimmt auch die Verpackung. Komplett durchgestylt, umgeben mit blaugrauem Düsterambiente, kommt „John Wick“ in seine Spur der Vergeltung. Doch der Rachelüsterne muss Sympathieträger des Publikums werden, die Rache verständlich sein. Eine schwierige Aufgabe, denn John Wick ist selbst einer, der für schnödes Geld Menschen killte; und sie wird nicht wirklich erfüllt. Zu kurz und zu flach ist die Story-Einführung, die wenig zeigt, warum John nicht mehr Tötungswerkzeug sein will. In der Folge ist der krankheitsbedingte Tod der Ehefrau nicht berührend, sondern eher das Dahinscheiden des schwanzwedelnden putzigen Geschenks, welches die letzte Verbindung zwischen den Ehepartnern bedeutet. Kult-Regisseur David Cronenberg zeigt mit „A History of Violence“ wie das viel besser geht. Sicherlich ist die Familie des Ex-Killers (Viggo Mortensen) in dem Plot unter den Lebenden und für die Darstellung der Beziehungen zwischen ihm, der Ehefrau (Maria Bello) und den Kindern die gesamte Spielzeit vorhanden, doch „John Wick“ hätte einen längeren Vorbau vertragen können, um dem Beobachter die Hauptfigur zu verdeutlichen. Ebenfalls besser gelungen ist „Auftrag Rache“ von Bond-Regisseur Martin Campbell. Der Vater (Mel Gibson) lernt seine zu Kindeszeiten vernachlässigte und nun ermordete Tochter erst durch seine Ermittlungen richtig kennen und findet den Weg zum Mörder. Spätestens wenn offensichtlich wird, was John Wick vermag, stellt sich die Frage, wie irgendetwas Gutes in seiner Vergangenheit existieren konnte. Zu sehr wollen die Filmemacher diese Frage nicht beantworten, zu sehr sabbern sie nach dem, was sie am besten zeigen können: rasante Action.
Die Inszenierung ist sehr ansehnlich mit geübter Kameraführung und perfektem Schnitt. Dadurch wirkt das Gesamtwerk mit eh wenigen ruhigen Momenten rasend schnell. Nicht nur das hebt den Film über das Niveau von B-Movies und verhindert Langeweile: Der undurchsichtige Killer Marcus (Willem Dafoe) gibt der geradlinig geführten Geschichte mehr Pepp. Das erhabene Hotel Continental mit seinen Gegebenheiten inklusive des coolen Rezeptionisten Charon (Lance Reddick), dem charismatischen Winston (Ian McShane) und das Leichenbeseitigungsteam sind unter den guten Einfällen zu verbuchen. Gelegentlich fließt staubtrockener Humor ein, der dann stets sitzt. John Wick hat Genre-typisch ein wenig zu viel Heldenglück, es gelingt ihm jedoch nicht alles und unverwundbar ist er durch seine Schutzweste nur teilweise. Der von ihm erzeugte Leichenberg nimmt vor allem wegen der irrwitzigen Tötungsgeschwindigkeit unzählbare Ausmaße an; eine Ähnlichkeit mit Moorhuhnschießen ist zeitweise unübersehbar, insbesondere im vollbesetzten Tanzsaal mit bewaffneten Weichzielen in roten Hemden. Einige Sprüche sind zu cool, aber mit starken Worten führt Tarasov im hinteren Teil des Films einen Dialog mit John und beantwortet aus seiner Sicht - es geht schließlich nur um einen Hund und ein Auto - die bisher nicht beantwortete Frage nach dem Guten in ihm. Auf einen allesübertreffenden Superstunt wurde glücklicherweise verzichtet. Die gute Besetzung mit Ausstrahlkraft hilft über die Oberflächlichkeit der Charaktere hinweg.
„John Wick“ ist eine über die gesamte Spielzeit anzuerkennend gleichmäßige Fantasterei mit einer tempo-, ideen- und bildreichen Erzählweise, die das Publikum des Genres begeistern wird.