Was bringt einen Menschen in den besten Jahren dazu sein Leben zu riskieren, nur um einmal auf dem höchsten Berg der Welt zu stehen? Dieser Frage müssen sich die Protagonisten des Bergsteigerdramas „Everest“ stellen, aber über die Antwort ist sich kaum einer im Klaren. Zu unterschiedlich sind die Beweggründe, zu unterschiedlich die Lebensläufe. Eines steht aber fest, der Weg zum Ziel ist brutal. Die Strapazen sind übermenschlich und allzu oft wird die sichere Rückkehr auf´s Spiel gesetzt, damit eben nicht alles umsonst war und man sich fortan zu den Wenigen zählen darf, die auf dem Dach der Welt standen.
Rob Hall ( Jason Clarke ) leitet 1996 eine Expedition , bei der er gegen Bezahlung unerfahrene Bergsteiger auf den Mount Everst und wieder zurück ins Basislager führt. Ein Geschäftsmodell, dass mittlerweile auch von Anderen kopiert wurde und so zu einem Massenauflauf auf den höchsten Berg der Welt geführt hat. Um nicht in einen gefährlichen „Stau“ zu geraten, schließt er eine Zweckgemeinschaft mit dem Team von Scott Fisher ( Jake Gyllenhall ). Mit dabei ist auch der Arzt Beck Weathers ( Josh Brolin ), der Journalist John Krakauer ( Michael Kelly ) und der Postbote Doug Hansen ( John Hawkes ). Als sie nach einigen Wochen der Vorbereitung am 10. Mai aufbrechen ist das Wetter klar und man kommt gut voran. Allerdings haben sich einige unglückliche Umstände verkettet, die letztendlich zur Katastrophe führen sollten.
Der Film basiert größtenteils auf den Erfahrungsbericht „In eisigen Höhen“ von Expeditionsteilnehmer John Krakauer und versucht den Spagat zwischen anspruchsvollen, realistischem Bergsteigerdrama und einigen Zugeständnissen ans Mainstreampublikum. Das gelingt Regisseur Baltasar Komarkur ganz gut. Er hält sich überwiegend an die realen Ereignisse und beschränkt diese auf einige wenige Protagonisten. Im Gegensatz zu konstruierten Abenteuern, merkt man hier aber die dramaturgischen Schwächen der Realität. Wer also zu sehr auf halsbrecherische Action aus ist wie z.B. bei Vertical Limit wird eher enttäuscht sein. Dafür gelingt im Gegensatz zu anderen Abenteuerfilmen eine gute Charakterzeichnung der Figuren. Komarkur fokussiert sich hauptsächlich auf Expeditionsleiter Hall und den mürrischen Texaner Weathers sowie deren Frauen, die nicht am Berg sind, aber telefonisch für den ein oder anderen, teilweise vielleicht schon zu dick aufgetragenen, emotionalen Moment sorgen.
Der großartige Cast kann sich sehen lassen. Neben Jake Gyllenhall, der hier als cooler Everst-Badboy Scott Fisher nur eine Nebenrolle spielt, fügen sich mit Keira Knightley, Sam Worthington oder Robin White auch weitere Hollywood Hochkaräter gut ein. Die Spannungsschraube wird langsam angezogen, kommt aber spätestens mit dem Eintreffen des Sturms voll zur Geltung. Die Bilder der eisigen Höhen sehen klasse aus und hier lohnt es sich auch endlich mal wieder einen Film in 3D anzusehen. Man leidet mit den Bergsteigern und stellt sich hin und wieder die Ausgangsfrage: Was bringt einen Menschen dazu solche Qualen auf sich zu nehmen. Eine Antwort gibt Beck Weathers dann doch noch: „Wenn ich zu Hause bin, habe ich immer dunkle Wolken über mir, aber am Berg ist alles klar. Hier bin ich frei.“
Fazit: Ein gelungenes Bergsteigerdrama, dass mit einer hochkarätigen Besetzung und starken Bildern punktet. Allerdings fällt die Kritik an der Kommerzialisierung des Bergsteigens doch sehr zurückhaltend aus. Das ist wohl auch ein Zugeständnis an das Mainstreampublikum und bietet vielleicht gerade deswegen zwei Stunden beste Abenteuer-Unterhaltung Marke Hollywood.